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Von den Anfangen des Sehalzwanges
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Von den
Anfängen des Schulzwanges
Festrede
zur Feier des Stiftungstages der Hochschule Zürich
m 29. April 1865
gehalten ton dem zeitigen Rector
Prof. Dr. IHax BiidlDger
Zfirioh
Druck und Verlag von Grell, Fttssli u. Comp.
1865
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Hochgeachtete
und verehrte Herren!
Immer wird sieb unsere Hochschule am heutigen Tage mit
Stolz erinnern, dass sie dem freien Entschlüsse der zu einem
höheren staatlichen Leben erweckten Bürger des zürcherischen
Freistaates ihre Stiftung dankt.
Die neue Universität fand hier von ihrem Anfange eine
akademischer Thätigkeit überaus günstige allgemeine Lage.
Mancherlei Momente lassen sich anführen, aus welchen die-
selbe sich zusammensetzte; das vornehmste dünkt mich die durch
eine mehr als tausendjährige Geschichte dieses Staatswesens
stetig fortgesetzte und erweiterte wissenschaftliche Kenntniss und
üebung, wie nirgends sonst verbreitet und bewahrt in einer
durch die Jahrhunderte nur massig angewachsenen freien Be-
wohnerschaft,
Hier allein in überalpischen Landen hat im Beginne des
staufischen Kaiserthumes der grundsätzliche Angriff auf die nach
der Weltherrschaft begehrende päpstliche Gewalt, wie ihn Arnold
von Brescia wagte , freudige Theilnahme gefunden^ Hier vor
Allem hat sich später die Losreissung von dieser Gewalt in
engster Verbindung mit dem liebevoll erfassten wiedererweckten
Alterthume vollzogen, dessen Aneignung man zu einem wichtigen
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Gegenstande öffentlicher Sorge erhob. ^ Aus der Vereinigung
gleichgesinnter Bürger endlich für bestimmte Zwecke wissen-
schaftlicher Forschung oder Lehre ^ sind seit Jahrhunderten
wirksame Förderungsmittel geistigen Vorwärtskommens in Zürich
entstanden.
Und so fand der Gesetzgeber, als es sich um die Einrich-
tung unserer Universität handelte, mehrere mit dem ganzen
Staatsleben längst und enge verbundene Institute, die man nur
zusammenzuziehen und umzuformen brauchte, um zu einem
natürlich erwachsenen neuen Gebilde zu gelangen.* Nicht der
Willkür des Momentes, noch dem Streben nach dem Besitze
eines literarischen Glanzstückes neben anderen Glanzstücken ist
die Anstalt entsprungen, der anzugehören heute ihre Lehrer und
Schüler sich rühmen: sie mag als der Abschluss einer langen
Entwickelung gelten, wie unbewusst und doch mit heller Be-
geisterung, in allgemeiner Erregung und doch mit nüchternem
Urtheile herbeigeführt.
Aber nicht nur die herkömmlichen Ordnungen der alten
Universitäten päpstlichen und kaiserlichen Ursprunges hat man
bei Stiftung der unsrigen vor zwei und dreissig Jahren fest-
halten wollen — es war mir das letzte Mal an derselben Stätte
vergönnt, auf die Bedeutung dieser Thatsache hinweisen zu
dürfen:* mit jenen durch das Gesetz zu uns übertragenen Ord-
nungen haben wir auch eine ungeschriebene Ueberlieferung
erhalten, welche den Zusammenhang der langen wissenschaftlichen
Entwickelung in diesem Staate versinnlicht.
Denn unter den gelehrten Anstalten, welche in die unsrige
verschfnolzen worden sind, nahm die durch Zwingli's hohe Seele
zu einer theologisch -philosophischen Fakultät^ umgebildete den
ersten Rang ein, welche nach dem ihr damals ertheilten Namen ^
und nach unvordenklicher Tradition ihre Anfänge auf Karl den
Grossen zurückführte. Mit einer alten Schilderei, die ihn vor-
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stellen soll und die wir mit Pietät bewahren, haben wir von
dem Collegium Carolinum auch den Stifter gern übernommen.
Wol mag es daher der heutigen Feier entsprechen, an den
ersten Gründer eines höheren geistigen Lebens in Zürich zu
erinnern, wie ihn eine mit ausreichenden Thatsachen freilich nicht
zu belegende Ueberlieferung bezeichnet. Um so eher wollen Sie
mir eine solche Erinnerung gestatjien, als meines Wissens mit
eindringender Sachkunde nur einmal bei akademischer Feier in
öfientiicher Rede hier des grossen Kaisers gedacht worden ist.
An dessen Todestage, dem 28. Januar, den das Carolinum immer
festlich begieng,^ hat der Theolog Johann Heinrich Hottinger im
Jahre '1662 Karls Verdienste dankbar hervorgehoben.^ Es geschah
— mit der Fülle von mannigfaltigen Kenntnissen und Ideen,
der frohen Kampfbegier, der soliden Pracht des Ausdruckes,
welche Hottinger die Bewunderung seiner Zeitgenosseil erwarben
— in einer zusammenhängenden Darstellung von Zürichs geistiger
Entwickelung bis zur Reformation. Nach einem solchen Vor-
gänger in dem Amte'o, welches ich jetzt zu bekleiden die
Ehre habe, mag es gewagt erscheinen, einen ähnlichen Gegen-
stand anzuregen; doch die veränderte Auffassung unserer Tage
über historische Dinge schien mir einige Berechtigung zu
verleihen.
Nur eine, aber vielleicht die vorzüglichste und unvergäng-
lichste Seite von Karts des Grossen W^irksamheit wünsche ich
vor Ihnen darzulegen: seine Bemühungen um eine wahrhafte
Volkserziehung und damit einen der elementaren Bestandtheile
des freien modernen Staates. ! s möge mir aber zunächst erlaubt
sein, dem Verhältnisse KarFs zu Zürich und seinem geistigen
Leben vor weiteren Erörterungen einige Worte zu widmen.
Es haben sich glaubwürdige Stücke einer Urkunde erhalten^',
durch welche derselbe den bereits an eine bestimmte Form
des Zusammenlebens gebundenen Geistlichen der Züricher
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Kirche für Pflege und Haadbabong des Gottesdienstes*' Ein-
künlle sichert. Diese Geistlichkeit berühmte sich noch nach
etwa fünfhundert Jahren (1272), Reichthümer und Ehren von
ihm empfangen zu haben *^; einem neu eintretenden Schatz-
meister des Stiftes wurde (1333) ein Inventar übergeben, in
welchem Gewände und Bücher genannt werden, welche das
Stift der Hunificenz des Kaisers danke**; noch bei der Ueber-
lieferung des Stiftsschatzes in der Reformationszeit wird eines
solchen Buches und seiner goldenen Einfassung gedacht.'^
Diese wenigen, aus weitgetrennten Zeiten stammenden Nach-
richten können, wie mich dünkt, einem Zweifel doch nicht Raum
geben; die Bezeichnungen jener Bücher insbesondere erhalten,
wie wir noch sehen werden, von einer andern Seile ihre
Bestätigung'^; aber die erwähnten Nachrichten sind auch die
einzigen, welche Glauben verdienen. Allmählich jedoch und durch
ein Zusammentreffen zweier ganz verschiedenartiger Momente
hat sich ein Sagenkreis an den geringen Kern angesetzt. In
erster Linie scheint hier die Einführung des Karl-Kultus wirk-
sam geworden zu sein.
Denn keineswegs hatte sich in Zürich, wie das an dem
Grabe in Aachen allerdings der Fall war, allmählich eine Ver-
ehrung des Kaisers als heiligen Wohlthäters gebildet. Ein
Heil igen verzeichniss des zehnten und ein Festtagsverzeichniss des
zwölften Jahrhunderts, die am Grossmünsterstifte durch ein paar
Menschenalter gebraucht und vermehrt wurden, enthalten seinen
Todestag weder von Anfang bezeichnet, noch später nachge-
tragen^^; oder anders ausgedrückte man nahm in Zürich von
der auf Veranstaltung Kaiser Friderichs I. durch einen Gegen-
papst *^ erfolgten Heiligsprechung desselben schlechterdings keine
Notiz.
Nun ist die Heiligkeit Karls des Grossen von der römi-
schen Kirche in der That niemals offiziell anerkannt, übrigens
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seiner Verehrung an einzelnen Orten 'kein Hinderniss in den
Weg gelegt wordenJ^ Das Grab desselben aber wurde im drei-
zehnten Jahrhundert ein vielbesuchter Wallfahrtsort und ein für
das Still der Aachener Marienkirche überaus einträglicher Besitz:
im Sommer des Jahres 1232 gewährte ein königlich deutsches
Dekret den dortigen Chorherren fünf Prozent aller Pilgeropfer.^^
Es geschah das in einem der wenigen Momente herzlicher Einig-
keit zwischen dem stauGschen Kaiserthume und dem Papstthume.
Da entschloss man sich auch in dem Chorherrenstifte Zürich,
eine Botschaft nach Aachen abzuordnen, um Reliquien Karls
und Exemplare der an seinem Todestage dort gebräuchlichen
Legende, Sang- und Gebetweise zu erhalten. Am 27. September
1233 wurden die erbetenen Stücke, vor Allem ein Finger des
Kaisers in einem Krystallgefässe^', hier feierlieh eingebracht
und der förmliche Beschluss gefasst, fortan den Tag Karls zu
feiern.^2 b^ij erscheint (1295) sein Name als der des Gründers
in den neuen Statuten ,^^ sein Bild in dem Vorstehersiegel des
Chorherrenstiftes.** Aus dessen Mitte geht eine Compilation von
Nachrichten über ihn hervor;" andere werden als schätzbar in
einem Lehrbuch der Weltgeschichte bemerkt.*^ Zugleich etwa
(1272) erhebt. die oberste geistliche Landesautorität, der Bischof
von Constanz, das Karlsfest zum Range eines allgemeinen Feier-
tages in Zürich und bringt dabei ein durch eine wunderliche
Irrthumsreihe entstandenes Märchen von einer neuerlichen
Heiligsprechung des Kaisers mit vieler Andacht vor.^^
Die Zeit aber, in welcher der Karl-Kultus hier so rasch
Wurzeln schlug, war zugleich die eipes mannigfach angeregten
geistigen Lebens in Zürich, die einer mit Recht gefeierten Gene-
ration von Gelehrten und Dichtern, von Forschern und Sammlern
der Hervorbringungen alter und neuer Zeit in lateinischem und
deutschem Idiom.*"
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Und auch der öflfentliche Unterricht gewann eben damals
eine neue Gestall. Denn man darf sagen, dass in der Ge-
schichte der geistigen Entwickelung dieses Landes mit den
beiden Jahren 1523 und 1832,^^ welche in der Neuzeit ent-
scheidend geworden sind, auch das Jahr 4259 für den Beginn
eines nachhaltigen Aufschwunges als epochemachend betrachtet
werden muss. Am 1. Mai dieses Jahres wurde mit Creierung
eines neuen Amtes^<> ein hervorragender und eifriger, wenn auch
confuser Gelehrter zum musischen Leiter der alten Stiftsschule
erhoben und bald darauf (1272) die oberste Verwaltung des
Unterrichtswesens durch Anweisung einer festen Jahreseinnahme
zu einer unabhängigen Stellung umgeschafFen.^»
Indem man während dieser Erhebung des Schulwesens
daran gieng, die Kunde von dem neuen Hwligen besser zu
fixieren, fand man keine auf den Unterricht bezügliche Ueber-
lieferung über ihn in Zürich, welche der Aufzeichnung werth
erschienen wäre ;^^ und noch als man um die Mitte des vierzehnten
Jahrhunderts (1346) eine neue Karl-Legende compilierte, ward
keine solche Ueberlieferung erwähnt. ^3
Aber in den nächsten Jahrzehnten, während deren eine
ordnungsmässige Feier versäumt ward,'* verwischten sich die
Erinnerungen und in der Auffassung folgender Generationen, in
einer der Sagenbildung noch so günstigen Zeit, scheinen Karl-
Kultus und Erhebung des Schulwesens zusammen gefallen zu
sein, wie sie ja sachlich nur durch wenige Jahrzehnte ia ihren
nachweislich 3'^ rasch vergessenen Anrängen getrennt sind.
Wir aber müssen unabhängig von einer keine Gewähr
bietenden jüngeren Ueberlieferung auf unsere eigene Kunde
karolingischer Zeiten vertrauen, wie sie seit zwei Jahrhunderten
erschlossen wird.
Das Wesentlichste dürfte hier sein, dass Karl der Grosse
älterem kirchlichen Herkommen entsprechend für Heranbildung
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von Klerikern, freien wie unfreien, Massregeln traf, insbesondere
Leseübungen der dem geistlichen Stande sich widmenden
Knaben befahl. ^^ Die eingehendste unter den betreffenden
Verordnungen, datiert vom 23. März 789, legt die Sorge für
jene Heranbildung und diese Leseübungen in erster Linie
solchen Vereinigungen von Geistlichen auf, wie deren damals eine
auch an der Züricher Kirche bestand. ^^ Dass man hier eine
Ausnahme nicht zugelassen habe, dürfen wir auch gnbezeugt
annehmen.
Das MAss von Kenntnissen aber, zu welchem man diese
Geistlichen bringen wollte, war gegenüber den Forderungen
einer liberalen Erziehung, wie sie im Alterthume und in der
Neuzeit verslanden worden ist, ein in hohem Grade dürftiges;
es war ein dürftiges selbst im Vergleiche zu den keineswegs
musterhaften gelehrten Schulen des damaligen byzantinischen
Reiches, in denen man doch noch mit Homer begann und zu
anderen unter den edelsten Hervorbringungen des hellenischen
Geistes fortschritt.^* Auch wäre es der Würde dieser Versamm-
lung und der heutigen Feier wenig enisprechend, wenn ich von
den Einzelheiten so unvollkommener Bemühungen -^^ Nachricht
zu geben unternähme.
Karls Verordnungen über die Heranbildung von Geistlichen
haben nun aBer ein von ihrem sachlichen Inhalt ganz unab-
hängiges Interesse durch den Zusammenhang, in welchen sie
gehören, durch den auch ihnen zu Grunde liegenden Versuch
einer streng controlierten, völlig allgemeinen Volkserziehung, wie
sie damals zuerst in das Staatenleben eingeführt werden sollte.
In einer grossen Zahl germanischer Staaten, ganz beson-
ders aber in den hiesigen, ist man dazu gelangt, die Heilsam-
keit solcher Volkserziehung allseitig zuzugestehen oder — um
die zunächst liegende Aeusserung derselben zu nennen — die
Nothwendigkeit des Schulzwanges einzusehen. Man hat in dem-
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selben die beste Befreiung der Massen aus dem schlimmsten
Abhängigkeitsverhältnisse erkannt, aus dem, welches in dem
Mangel für die intellektuellen Mittel des Fortkommens liegt.
Eben mit der Erweiterung politischer Freiheit hat eine mäss-
volle Handhabung der öfientlichen Gewalt die Verpflichtung zum
Unterrichte für alle Staatsangehörigen schärfen zu müssen ge-
glaubte® Nur so schien es möglich, die Kraft des Volksganzen
nach allen Seiten in Thätigkeit zu setzen, den einzelnen Bürger
zur rechten Anspannung der seinigen zu befähigen: nur so
schien es möglich, einem Lande, das keine Form staatlicher
Unberechtigung für seine Angehörigen kennen will, in jedem
Bürger den vollbefahigten Streiter für das öffentliche Wohl zu
erwerben, wie die besten Demokratien des Alterthums sie in
den Minderzahlen ihrer allein berechtigten Staatsgenossen be-
sessen haben.
Zu einleuchtend sind hier vor aller Welt die Wirkungen
dieser Maximen geworden, als dass man nicht auch in einem
grossen Nachbarlande ihnen bewundernde Aufmerksamkeit
geschenkt und Anfänge zur Nachahmung eines so bewährten
Verfahrens gemacht hätte.
Doch dürfte auch ein zweites Moment hierbei einer tieferen
Betrachtung sich nicht entziehen. Es gibt eine stille Bedingung
des heilsamen Schulzwanges, das ist seine feste Begrenzung
und ein steigendes Mass von Freiheit für die steigenden
Studien.
Denn es mag mir an dieser Stelle zu sagen verstattet sein,
dass mit der Einengung akademischer Wirksamkeit auf die Aus-
feilung von Verwaltungsrädern der Grundsatz controlierter Volks-
erziehung nur im Schema stimmt.
Nicht so verstand auch der grosse Gründer eines fest or-
ganisierten romanisch-germanischen Kulturstaates dessen Aufgabe.
Nahe genug hätte sonst der dienstfertige Eifer gunstbeflissener
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Gelehrten dem gewaltigen Herrscher eine Beschränkung
forschender und lehrender Thätigkeit in diesem Sinne legen
können. »Nach dem unerschöpflichen Schatze Eurer Güte«, so
lispelt ihm einer dieser Gattung/** »mög^t Ihr über das Eurem
allerruhmreichsten Blicke Unterbreitete entscheiden, ob es
Eurem Befehle entspricht.« Denn nur starke Seelen vermögen
sich dem Drucke zu entziehen, den eine in ununterbrochenem
Gelingen begriffene politische Gewalt auf die Menschen übt.
Und wenn je eine, so war die Karls des Grossen eine
solche: seine Zeitgenossen mindestens haben die Beschrän-
kungen nur als freiwillig eingeräumte aufgefasst, welche Normannen
im Norden, Araber und Griechen im Süden seiner Herrschaft
setzten. Es waren ja doch auch sonst von dem Tage an, da
nach dem Absterben seines Bruders ein rascher und vertrauens-
voller Entschluss der fränkischen Grossen ihm ohne Rücksicht
auf formelle andere Berechtigungen'^^ die Gesammtmacht seines
Vaters übergeben hatte, alle seine kriegerischen und politischen
Unternehmungen zu eben so vielen Erfolgen geworden. So
weit als für die natürlichen Kräfte des fränkischen Volkes nur
irgend wünschenswerth, hatte er die Macht desselben verbreitet.
»In kürzester Zeit,a wie man in seines Enkels verdüsterten Tagen
sagte, »hat er mit eifriger Sorge es vollbracht, dass gleichsam
neu die Welt erschien, anmuthig in hellem Lichte, mit bunten
Blüthen geschmückt. «^^
Ich weiss nicht, ob es für eine echte Anschauung der Dinge
berechtigt ist, wozu sonst Jeder neigt, wie für die Züge der
Lebenden, so für die hervorragenden Merkmale historischer
Persönlichkeiten nach Analogien zu suchen; denn auf das
stärkste ist, wie des Menschen Thätigkeit, so das Gepräge seines
Daseins von dem natürlichen Laufe der ihn umgebenden Ver-
hältnisse bedingt und kann in anderen kaum gedacht werden.
Wollte man aber doch einmal die Lebenssummen der vornehmsten
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Lenker menschlicher Geschicke vergleichend betrachten, so wird
man vielleicht grössere Feldherren finden, als Karl (welcher
Kriegsruhm könnte mit Alexanders vollen und geschwinden
Siegen verglichen werden!): grössere Staatsordner (des Caesar
Name schien durch anderthalb Jahrtausende den Völkern eine
Bürgschaft ihres Friedens); aber man wird keinen Herrscher
finden, der wie Karl die Beseligung und Erhebung der Men-
schen als seine Autgabe betrachtet hätte. Von tiefem Schmerz
ergriffen über den Tod des treuen, langjährigen Freundes auf
Petri Stuhl wdsste er für ihn keinen rühmenderen Nachruf
als den, er habe die Kirche mit Geschenken, die Völker mit
heiligem Glauben erfüllt und Allen den Weg zu den Sternen
gezeigt.**
Wenn in seinen weiten, unter tausend Gefahren, in allen
Wettern und Zonen, unter Strömen von Blut der Verwirklichung
entgegengeführten Planen der Festsetzung des Christenthums in
den Gemülhern der Menschen natürlich auch ein Motiv welt-
licher Herrschlust mit unterlief, so war es doch ein sehr un-
bewusstes, und nur der halbe Sinn neuer Afterrede konnte
solche unbezeugte Klugheil an die erste Stelle rücken. Aber
wer die Bedrängnisse einer nach dem Versländnisse des Unend-
lichen ringenden Seele kennt, der wird gern von dem Studium
des Sternenlaufes vernehmen, dem Karl so viele Zeit und Mühe
widmete,*^ mit Ehrfurcht seine ängstlichen Zweifel über Wider-
sprüche der Bibel lesen ,*^ den Gleichmuth verstehen, mit wel-
chem er den Schuldünkel lehrhafter Diener ertrug.*^
Unmittelbar mit dem Beginne seines Regimentes, noch bei
Lebzeiten seines Bruders, enthüllt er seine Absichten und Ideale.
Er gibt nichts auf den erlauchten Rang, den noch sein Vater
den Menschen immer gegenwärtig halten zu müssen glaubte;
dafür nennt er sich einen »ergebenen Verlheidiger der heiligen
Kirche und des apostolischen Stuhles Helfer in Jeglichema; auf
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die geistliche Leitung seines Reiches erhebt er hiebei unbe-
dingten Anspruch nach der Bischöfe und übrigen Priester Bei-
rath: Kriegsdienst und Jagd, Zuchtlosigkeit und Ignoranz will
er schlechterdings nicht mehr bei seinem Klerus dulden: eben
der Klerus soll für einen christlichen Wandel des gesammten
Volkes einstehen; die im .öffentlichen Interesse angeordneten
Gebete soll überhaupt Niemand versäumen.^*
Er mochte gern auf ein wolerfülltes Lebenswerk zurück-
blicken, als ihm wenige Monate vor seinem Ende die Beschlüsse
einer grossen geistlich-weltlichen Versammlung vorgelegt wurden,
die den sittlich-religiösen Zustand des Reiches noch einmal in
Erwägung gezogen hatte. Mit innigen und begeisterten Worten
findet man von den Versammelten der Dankbarkeit gegen Gott
Ausdruck gegeben, welcher seiner Kirche in dem Kaiser Karl
einen so frommen und ergebenen Leiter gewährt habe, der sich
geistliche Nahrung und Erhebung des Volkes mit unermüdlichem
Eifer angelegen sein lasse,*^ der, wie sie sich ausdrücken, »Christi
Kirchen heiler schmückt, der da sucht, dem Schlünde des hölli-
schen Drachen viele Seelen zu entreissen, sie an den Busen der
heiligen Mutter Kirche zu berufen. Alle insgemein zu laden zu
den Freuden des Paradieses und den himnohschen Reichen.«
Nicht als der harte Richter über Rebellen und Verschwörer,
wie ihn die Tage von Verden und Regensburg mit blutigen Zügen
erscheinen lassen, tritt uns Karl in dem ürlheile der Zeit-
genossen entgegen, noch wollte er selbst als furchtbarer Regent
erscheinen — er, den die offizielle Geschichtsshreibung als
verständigsten und mildesten Mann, als Gottes Gutsverwalter
bezeichnet.^ö Man dürfte die Stimmung, wie er sie gern über sich
verbreitet sah, am besten aus den Schilderungen eines kunst-
geübten Dichters seiner näheren Umgebung kennen lernen/*
In immer neuer Situation mit rasch wechselnden Bildern wird
uns der schon dreissig Jahre gebietende König gezeigt: seine
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Gemahlin, seine Kinder, die Töchter namentlich; deren Umgang
er nie entbehren wollte, werden mit preisender Ergebenheit vor-
geführt; der jüngere Sohn geleitet den Papst an des Vaters Hof,
da sitzen der König und der oberste Bischof des Weltrunds zu-
sammen und trinken aus breiten Schalen schäumende Weine.
Ein ander Mal bezeichnet der Gebieter in seiner Burg in Aachen
stehend, die Plätze, auf denen ihm dort ein neues Rom erstehen
soll: sofort beginnt die geschäftige Schaar, Säulen werden ge-
brochen, Felsen gewälzt; es schliesst sich das hohe Kuppeldach;
zum Bade an den heissen Quellen »fügen sie mit marmornen
Stufen geräumige Sitze.« Dann schreitet der König hinaus über
die heilige Schwelle des erhabenen Tempels, um mit seiner
Familie und seinem Hofe zur Jagd zu ziehen; »rascher als die
geflügelten Vögel« Allen voran auf edlem Rosse tödtet er Schaa-
ren von Ebern und vertheilt seine Jagdbeute unter seine Grossen.
Nur einmal wird man in diesem Leben voll Freude, Kraft und
Erfolg erinnert, dass der König verdienlermassen die Ungerech-
ten mit straffem Zügel bändigt und den Hochmüthigen ein hartes
Joch auf den Nacken legt. Es sind sonst durchaus die Eigen-
schaften des milden und friedliebenden Herrschers, die gepriesen
werden: »an Gütigkeit übertrifft er«, wie uns versichert wird,
»alle Könige der Erde«. Als ein stehendes Beiwort erhält er
den Namen des Vaters, des ehrwürdigen Hauptes einer grossen
Völkerfamilie, geradezu des Vaters von Europa.
Und kein Ehrenname mochte damals Karls Sinne mehr ent-
sprechen, obwol er wenig später, nach Empfang der kaiserlichen
Würde, den eines von Gott gekrönten vorgezogen hat.
Denn ein im besten. Sinne priesterlicher König wollte er
sein; wie er sich ausdrücktet^^ »der Sorge für die Besserung
seiner Kirchen walten,« oder, in die Formen unseres Denkens
übertragen: über die sittliche und geistige Entwickelung seiner
Völker wachen. Man bat ihn in seiner Umgebung mit Augustus*^
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der Papst^^ hat ihn mit Constantinus verglichen; aber das machte»
so viel man sieht, keinen Eindruck auf ihn: er selbst verglich
sich am liebsten einigen Königen der jüdischen Theokratie. Von
seinen Studiengenossen liess er sich König David nennen ;^^ den
König Josias stellte er einmal als sein Musterbild auf, weil der
»umherreisend, bessernd, ermahnend das Volk zur Verehrung
des wahren Gottes zurückzuführen gesucht habe.« »Nicht als
ob ich mich ihm vergleichenswerth dünkte,'« fügt er hinzu, »aber
wir müssen das Vorbild der Heiligen immer befolgena.^^ Unter
dem verständigen Beirathe der dazu Berufenen will er nach
solchem Vorbilde seine Pflicht erfüllen; wie er auf eine Sieges-
nachricht im Kriege gegen die Avaren einen Bettag ansetzt,
geschieht es nicht nur mit sorgsamer Schonung des Einzelwillens
selbst im Heere, sondern auch mit bescheidener Anerkennung
der besseren Sachkunde seiner Geistlichen.*^
Von dieser tiefen Ueberzeugung aus, die sein ganzes
Dasein beherrscht, von diesem Gefühle einer gottverliehenen Ver-
pflichtung geistlicher Obsorge will auch Karls Thätigkeit für
Volkserziehung und Schule verstanden sein. »Halte es Niemand,«
ruft er einmaH* in inniger Bewegung, »halte es Niemand, ich
bitte ^uch, für eine Anmassung, wenn ich zur .Frömmigkeit er-
mahne, sondern nehmt es auf mit wohlwollender Liebe!« Wie
wenig haben rasche Urtheiler und unter ihnen schon der fromme
Handwerker*^, der sich aus Dankbarkeit gegen den kaiserlichen
Wohlthäter zu seinem Biographen berufen glaubte — wie wenig
haben sie das innerste Wesen dieser hohen Natur erkannt, wenn
sie Karls gelehrte Studien mit dem widrigen Literaturtreiben
anderer Fürsten verglichen. Wenn man den Lebenden an sei-
nem Hofe als leuchtenden Kenner der Grammatik und trefi'lichen
Lehrer der Rhetorik pries, den Hingeschiedenen mindestens
noch professionellen Redemeistern gleich stellte,^'* so passt auf
ihn das eine so wenig wie das andere. Aus den Briefen, die
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er diktierte, ersieht man, wie so ganz allein die Sache und der
Wahrheitsdrang und das höchste, bis in jede Einzelheit sich
kundgebende Pflichtgefühl ihn bei seinen Studien leiten; es
quält ihn, einem Kriegsmanne seines Gefolges einen vielleicht
unrichtigen gelehrten Bescheid zu geben.^*
Erst als sein kriegerisches Königsamt ihn nach Italien rief,
das matt gewordene langobardische Staatswesen zu neuer Form
zu hämmern, trat er in persönliche Beziehungen zu den
Bewahrern der aus dem Alterthume überkommenen Gelehrsam-
keit, welche das Land noch barg. Durch die milde Festigkeil,
die er als Sieger zeigte, gewann er die Herzen ihrer bedeu-
tendsten Vertreter und lohnte ihnen glänzend ihr dürres Wissen.
Einen dieser italischen Meister der grammatischen Kunst, der
sich in seinem unaufhörlichen Kampfe gegen den unsichtbaren
Feind dem besten Kriegsmanne von Italien ebenbürtig glaubte,
beschenkte Karl bald mit Rebellengütern ; ^^ (j^n Bitten eines
zweiten gewährte er die Freiheit anderer Empörer ;^3 er selbst
nahm Unterricht bei einem Dritten, nicht eben dem Scharf-
sinnigsten.^^
Aber in ganz anderem Masse als bei diesen Fachmännern
fand er in Italien ein entgegenkommendes Verständniss seiner
Plane bei dem von ihm vor Unterdrückung geretteten Papste
Hadrian I. Nicht über die bei der Bedeutung der beiderseitigen
Stellungen unvermeidlichen kleinen Conflicte,®* sondern über
das durch eine gegenseitige Mässigung ermöglichte, zu treuer
Freundschaft steigende Einvernehmen zwischen Beiden muss
man erstaunen. »Niemand gibt es auf der Welt,« wie Hadrian^^
in guter Ueberzeugung versichert, »der mehr für Eurer könig-
lichen Hoheit Grösse besorgt wäre, als unser apostolisches
Gebet.« Aus dieses Papstes Hand empfing Karl eine Sammlung
geistlicher Rechtsquellen, wie sie Beiden als Richtschnur auch
für die Staatsgewalt entsprechend schienen.^^^
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Aber Niemand war mehr geignet, des Königs und Kaisers
Ideen im Einzelnen auszuarbeiten und zur Durchführung vor-
zubereiten, als der angelsächsische Gelehrte, den ein redlicher
Trieb Gutes zu wirken und die unruhvoUen Zustände seines
Heimathlandes zuerst als geehrten Gast und dann in einer fürst-
lichen Zurückgezogenheit in Tours mit sehr geringen geschäft-
lichen Verpflichtungen an das fränkische Weltreich banden. Man
würde Alkuin Unrecht thun, wenn man ihn mit originalen Geis-
tern vergleichen wollte. Seinen Gedichten, Interpretationen,
Streitschriften, Briefen kann man doch nichts Anderes nachrüh-
men, als in schicklicher Form die für den Moment genügende
Auskunft gefunden zu haben. Ich denke, dass eben diese Eigen-
schaft dem ehrbaren, ängstlichen und selbstgefälligen Manne
seinen Werth in Karls Augen mehr als seine Gelehrsamkeit gab,
die bald ausgenutzt war und deren Inhalt doch mit der des ersten
unter den italischen Meistern sich nicht messen kann, jenes an-
muthvollen Geschichtsschreibers der Langobarden, des Diakonen
Paulus, der auch uns noch als ein Lehrer gilt. Aber Alkuin mit
seinem ruhe- und freundebedürftigen Herzen, mit seinem säubern
Arbeitstalente, mit seiner Alles wissenden und Alles gern an-
fassenden Geschicklichkeit war in der That der einzige Mann,
die Ideen des geistesgewaltigen Herrn rasch zu disponieren und
dem Gegebenen anzupassen.
Dazu brachte er noch einige sehr schätzbare Momente einer
eigenthümlichen Stellung und Erfahrung mit an den fränkischen
Hof. Er hatte weitreichende gelehrte Verbindungen in Italien,
ganz besonders aber in den Reichen der Angelsachsen, damals
ohne Zweifel des höchstgebildeten unter den germanischen
Völkern. Karls V^affen unerreichbar — denn eine Seemacht besass
er nicht — war es von der äussersten W^ichtigkeit für ihn, die hohe
Autorität der angelsächsischen, dem römischen Stuhle von jeher
anhänglichen Kirche, von der so edle Bekehrer in deutschen
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- 16 —
Landen ausgegangen ^aren, nicht zu seinem Schaden entfaltet
zu sehen: er hatte nichts dawider, wenn die Botschafter des
dortigen Oberkönigs und seine eigenen am päpstlichen Hofe auf
gleichem Fusse behandelt wurden.^^ Als eine Art Glücksfall
musste er es betrachten, dass bei einer ausbrechenden dogma-
tischen Streitigkeit, welche mit der Einigkeit des Glaubens auch
den Gehorsam der Geister in seinen Reichen zu erschüttern
drohte, die Geistlichkeit der Inselreiche seiner fränkischen Ma-
jorität zur Seite stand. Eben Alkuin hatte er dieses Ergebniss
zu danken und vergalt es ihm mit zunehmender Rücksicht.^^
Endlich traf er bei diesem seinem vielgelehrten Gefährten
noch eine Reihe von verwandten Auffassungen, wenn sie auch
aus sehr verschiedener Quelle entsprangen; Alkuin gesteht etwa
der Mathematik nur Werth zu, weil sie den tiefen Sinn bibli-
scher Zahlangaben verstehen lehre, und die Verpflichtung für ein
ernstes Studium überhaupt leitet er aus biblischen Sprüchen abJ^
Diesem Gedankengange entspricht auch das königliche Aus-
schreiben, vermuthlich aus dem Jahre 782, welches allen geist-
lichen Congregationen literarische Studien mit eindringlichsten
Worten gebietet und die Pflicht derselben in erster Linie aus
der Gefahr eines ungenügenden Verständnisses der Bibel ab-
leitet. »Wenn schon alle Menschen, a sagt das Edikt, »die Lüge
meiden sollen, wie viel mehr nach Möglichkeit diejenigen, welche
speziell zum Dienste der Wahrheit verordnet sind.« Die Un-
gebildeten aber, welche ihren Ideen den richtigen Ausdruck
nicht zu geben vermögen, seien in solcher Lage und selbst
grammatische Studien für sie eine religiöse Pflicht.^'
Demselben Gedankenkreise ist die Durchsicht der ganzen
Bibel und ihre Befreiung, wie sich Karl ausdrückt, »von den durch
die Unerfahrenheit der Schreiber veranlassten Entstellungen«
zuzuweisen.^^ Mit anderen konnte wol auch die Züricher Kirche
sich berühmen, ein Exemplar des so verbesserten Textes Karls
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Freigebigkeit zu danken — vielleicht dasselbe Prachtwerk, wel-
ches in den dermalen der Kantonalbibliothek zugewiesenen
Räumen mit den anderen Schätzen derselben so angentigend
geschützt ist.
Mit der Bibel besass die Züricher Kirche, und zwar sicher als
Karls Geschenk, die beiden Bände der neuen, von dem Diakonen
Paulus auf seinen Befehl angelegten Homiliensammlung, Das
Begleitschreiben, mit welchem der König seine Gabe den Kirchen
sendete, rühmt, dass im Gegensatze zu den bis dahin üblichen
»mit unnützer Mühe, wenn auch in guter Absicht zusammen**
getragenen« die neue Sammlung aus einer aufmerksamen Lek-
türe aller einschlägigen Schriften entstanden sei »wie man von
weiten Wiesen einzelne Blumen zum Kranze sammelta^^
Schon in jenem idas ganze Leben des Klerus ins Auge
fassenden Edicte nach seiner Thronbesteigung ist es ausge-
sprochen: Karl wollte die geistige Nahrung nicht einem bevor-
rechteten Stande zu Theil werden lassen. Ohne Zweifel ganz
aus seinem Sinne ist es, wenn Alkuin ihm mit Nachdruck die
Verderblichkeit der lieblosen Lehre hervorhebt, dass die Bibel-
kunde auf die Geistlichkeit beschränkt werden solle.^*
Seit der Kaiserkrönung tritt die Idee — eine der grössten,
die je in das staatliche Leben eingeführt worden sind -^ dass
der Regent für eine eigentliche Volkserziehung Sorge zu tragen
verpflichtet sei, präciser, dringender und gewaltsamer hervor.
Hat man doch in unserer Zeit schon an dem Akte der Ueber-
nahme kaiserlicher Gewalt im Abendlande Alkuin einen grossen,
wie mich dünkt, übertriebenen Antheil zugeschrieben! Aber bei
den Berathungen, die Beide nach der Rückkehr des neuen
Kaisers in Tours pflogen, scheint die Frage der Volkserziehung
m der That zu ihrer ersten und dadurch welthistorischen Lö-
sung gebracht worden zu sein.
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- «8 ^
Auf einem kleineren Gebiete in Alkuins Heimathlande hatte
man bereits in dessen Jugend im Jahr 747 auf einer Synode
den Anfang zur Einführung eines allgemeinen Schulunterrichtes
gemacht. Man legte es dort den Bischöfen, Aebten und Aebtis-
sinnen als Pflicht auf, darüber zu wachen, dass in den Herzen
aller ihrer Pflegebefohlenen das Studium der Scbrifl; ununter-
brochen walte. »Forlan,« so lautet der Beschluss weiter, »fortan
sollen die Knaben in den Schulen angehalten und geübt werden
zur Leetüre der heiligen Wissenschaften und sie hiedurch er-
funden werden der Kirche Gottes zu aller Art Gewinn.«'*
Schon war auch in Aikuin's Nähe in der Diözese von Or-
leans von einem der aus Italien gekommenen Gelehrten, dem
charaktervollen Gothen Theodulf, der seit einigen Jahren (794)
dort das Bisthum inne hatte, vermuthlich bald nach seiner Er-
nennung, der Versuch eines allgemeinen Volksunterrichts gemacht
worden. In einem Rundschreiben an seine Pfarrer schärft er'^
denselben ein, in den Dörfern und auf den Höfen Schule zu
halten. »Und wenn einer der Gläubigen,« so ordnet Theodulf
weiter an, »seine Kinder ihnen zum Unterrichte vertrauen will,
so sollen sie dieselben anzunehmen und zu belehren nicht ab-
lehnen, sondern sie mit äusserster Liebe unterweisen, auch kei-
nen Lohn hiefür verlangen, mit Ausnahme etwaiger freiwilliger
Liebesgaben der Eltern.«
Und war nicht seit mehr als zwei MenschenaiCern das Be-
streben jener angelsächsischen Missionäre, die unter dem Schutze
von Karl's Vorfahren des Christenthum einzuführen oder zu er-
neuern unter den Völkern des Festlandes erschienen — war nicht
deren Bestreben auf ein wirksames Verständniss der von ihnen
gespendeten Lehre gerichtet gewesen?^'
Nur wenn man alle diese Momente zusammen hält: die
steten und tiefen Ueberzeugungen des mit der geheiligten Kaiser-
würde neu geschmückten Königs von seiner Pflicht der Fürsorge
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- 19 —
für die Gefster, die gelehrten Neigungen und Reminiscenzen wie
die unmittelbaren Beobachtungen seines berathenden Dieners,
die neueren Ueberlieferungen der fränkischen Kirche von den
Missionaren — nur wenn man das Zusammenwirken dieser That-
Sachen und Ideen festhält, werden die epochemachenden Häss-
regeln der nächsten Jahre begreifliich.
Wie fortan zur Handhabung und Ueberwachung einer voll-
kommen zuverlässigen Gerechtigkeit. und gehöriger Ordnung auf
den Krongütern vornehme geistliche und weltliche Beamte mit
ausserordentlichen Vollmachten vereinigt abgeordnet wurden, so
soll auch die weltliche Gewalt für die geistliche und geistige
Erziehung thätig mitwirken. Was bisher nur in allgemeinsten
Formen vorgeschrieben worden war, etwa »dass Gott von ganzem
Herzen geliebt werden solle,« ^^ gewmnt nun bestimmte Gestalt,
von einem Gesichtspunkte allgemeiner religiöser Vertiefung auf
der einen, von dem eines allgemeinen Schulunterrichts auf der
andern Seite.
Schon im November des Jahres 801 ^^ erhielten jene obersten
Aufsiohtsbeamten den Befehl, darauf zu sehn, dass alle Pfarrer
vollkommen zur religiösen Unterweisung des Volkes in Predigt
und Erklärung befähigt seien. Gewisse kirchliche Formeln solle
Jedermann im Reiche und zwar in der auch gegen Zauber nütz-
lichen lateinischen Sprache hersagen können, sonst aber von
der Pathenschaft ausgeschlossen werden. Wiederholt kommt der
Kaiser auf seine Vorschrift zurück, bis er endlich, etwa im Jahre
806«^ verfügt, dass Jeder ohne Unterschied, der diese Formeln,
sich nicht eingeprägt habe , mit leiblicher Strafe oder mit Nah-
rungsentziehung belegt werden solle, bis er sie auswendig wisse,
im Falle offener Renjtenz aber zu besonderer Bestrafung an den
Hof zu bringen sei. Karl geht so weit, selbst Frauen für ihre
Unwissenheit mit Peitsche oder Fasten zu bedrohen.^' Es kün-
det sich, wie man sieht, ein segensreiches Prinzip in rauher
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— 20 -
und geradezu unschöner Form an , die anserm Gefühle auf das
äusserste widerstrebt.
In der That muss aber sofort einleuchten, wie dem guten
Willen des Regenten die Ausführung schlechterdings nicht ent-
" sprechen konnte; denn nur auf sehr primitive Mittel fand sich
die Staatsgewalt des fränkischen Reiches — ohne Polizei» ohne
Finanzen, ja ohne Administration im Einzelnen, wie sie gewesen
ist — für Vollstreckung ihrer Befehle angewiesen. Für so ge-
waltsam in die individuelle Bewegung eingreifende wie die vor-
liegenden, wäre vollends nur ein Verwaltungs - Mechanismus
äusserstef Unfreiheit ausreichend, wie man ihn in einem ur-
sprünglich von den Jesuiten organisierten südamerikanischen
Lande sich neuerlich hat entwickeln sehen.
Aus naheliegenden Gründen beschränkte sich sonach Karl
nach wenigen Jahren darauf, von dem Zuspruche der Geistlich-
keit für die Sache das Beste zu erwarten.^^ Der Klerus selbst
freilich hat noch einmal mit sehr nachdrücklicken Worten die
früheren Strafbestimmungen verlangt und keine andere Conces-
sion machen wollen, als die Hersagung jener Formeln in der
Landessprache bei besonders Unbefähigten zu gestalten;'^ der
Kaiser selbst hat sich nicht weiter auf die Sache eingelassen."^
Gleichzeitig aber mit jenen rein kirchlichen Weisungen vom
November 801 ergieng"^ eine auf den Unterricht der Kinder be-
zügliche, allgemeiner gehalten und ohne die hierauf nach der
Natur der Sache damals ganz unanwendbaren Strafbestimmun-
gen. Die wenigen der niedern Geistlichkeit als Amtsverpflichtung
ans Herz gelegten Worte der kaiserlichen Verordnung lauten:
»Jedermann soll seinen Sohn zu literarischer Lehre senden und
mit aller Sorge in derselben belassen, bis er gut unterwiesen
ist.« In dankbarer Form hat die Sage auf schweizerischem Boden
sich noch im neunten Jahrhundert der unterschiedslosen Für-
sorge des Kaisers für den Knabenunterricht bemächtigt.*^
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— 21 -
Absicht und Hoffnung Karls des Grossen sind durch Jahr-
hunderte unerfüllt geblieben. Aber einmal von dem ersten Ge-
bieter der romanischen und germanischen Nationen mit erhabe-
nem Sinne und begeistertem Geratithe ergriffen, hat die Forde-,
rung der ünterrichtsverbindlichkeit des Staates in der üeber-
zeugung der Menschen nicht wieder erlöschen können.
Wenn irgendwo, so darf man sich in Zürich der Absicht
des Kaisers mit Genugthuung erinnern. Es ist seinmi Wunsche
und fast seinen Worten entsprechend, wenn der hiesigen
Volksschule von dem Gesetze^' die Bestimmung zugewiesen
wird, »die Kinder aller Volksklassen nach übereinstimmenden
Grundsätzen zu geistig thäligcn, bürgerlich brauchbaren und
sittlich religiösen Menschen zu bilden.«
Die Tradition, welche ihn, den Förderer eines durch so
viele Jahrhunderte stetig entwickelten höheren geistigen Lebens
in Zürich in eine besondere Verbindung mit unserer Hochschule
gebracht hat, wird an dieser immer gern bewahrt, aber auch
unvergessen bleiben, dass die Universität diesseit der sagen-
umhüllten Gestalt des idealen Stifters^^ einer begeisterten Bewe-
gung der Burger dieses Freistaates ihre reale Gründung dankt.
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ANMERKUNGEN.
^ ,., de Italia fugiem . . . tn oppido Älemanniae Turego offieium doetarit
asiumens (^OUo Fruing., ge$la FHderici 1 imper» L IL e. 20). — Proeedü
6oliai (Äbailardus) nobili illo suo bellieo apparalu ^eircummunilui ante-
eedente , . . armigero Ämaldo de Brixia (S. Bemardus ad papam Inno-
eentium 11. Opera ed. Mabillon J, 182), — Nunc apud vom, iieut accepimus. . .
devorat plebem vesJrlttn (Ämaldus) . . . ; videbüU hominem aperle imurgere
in clerum , . . et in omnem paseim eeclesiaetieum ordinem desaevire, (Idem
ad episcopum Comtanciensem l. l. I 188.) Schon Bullinger bemerkt
den itn Texte berührten Zusammenhang: Reformationsgeschichte
(herausgegeben v. Hottinger und Yögeli 1838) I, 114.
2 ...ist die meynung, das verordnet werdint wolgeleert kunst-
rych sittig menner, die alle tag ofienth'ch in der heyligen geschriflt,
ein stund in hebreischer, ein stund in griechischer und ein stund
in latinischer spraachen , die zu rächtem verstand der göttlichen
geschriflt gantz nodtwendig sind, läsind und leerind one der un-
seren uss der statt und ab dem land, so in iren letzgen gand, be-
Ihonung und entgalltnuss . . . Darzu soll ein Schulmeister rychlicher
beihonet werden, dann bisshar, damit er die jungen knaben möge
flyssiklicher anfUrren und leyden, bis sy zu den vorgemelten letz-
gen ze begryffen gemäss werdint. (Uebernahmsurkunde der Propstey
zum GrossmUnster durch den Staat 29. Sept 1523 bei Bullinger a.
a 0. I, 115). — Qraeeos aulhoret.,. (nullibi enim literarum libentiue
vertor) adsignabo. (Zwingli an einen jüngeren Amtsbruder in dem-
selben Jahre, 30. Juli 1523. Opera VI, 306).
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- 23 —
3 Aas solchen freien Vereinigungen entstanden:
die Stadtbibliothek am 7. Februar 1629 (H. UlHch, biöliotheea
Thurieensium . . . «tue iapienliae armamentarium p. C 3 und desselben
biblMhica nova Tigurinorum p. 106 sqq. Beides 4. 1629 ; wegen des
Tages vgl. Dr. th. Vögelin: Neujahrsblatt der Stadtbibliothek
1844 S. 40);
die Anfänge unserer medicinischen Fakultät in dem medicinisch*
chirurgischen Institute (vgl. Neujahrsblatt der Ghorherrenstube 1836
S. 5:) »sieben Aerzte und Wundärzte verbanden sich zuerst (1782),
die Anfangsgründe alier Theile der Medicin und Chirurgie zu lehren,
ohne alle Unterstützung des Staates . . . Erst im Jahre 1804 gewährte
die Regierung... die hoheitliche Sanktion... und einen jährlichen
Zuschuss« (Näheres bei Meyer-Ahrens , Gesch. des medicinischen
Unterrichts in Zürich in der Denkschrift der medicinisch-chirurgi-
sehen Gesellschaft 1860, S. 22, 33 ff.};
die naturforschende Gesellschaft am 18. Oktober 1746 (vergl.
[Golfr. von Escher] wichtigste Momente aus der Gesch. der nat
Ges. 1846, S. 7);
die antiquarische Gesellschaft am 1. Juni 1832 (vergl. [Ferd.
Keller] in deren Hittheilungen Bd. I S. II ff.) u A. m.
^ »— welche (Hochschule) . . . eigentlich keine neue SchCfpfung
ist, sondern nur die drei bereits bestehenden Specialschulen (Gym-
nasium Carolinum, politisches und medicinisches Institut) zeitgemäss
erweitern und durch die philosophische Fakultät zu einem zweck-
mässig geordneten Ganzen gestalten soll. Selbst diese philosophische
Fakultät besteht schon jetzt und zwara u. s. w. Bericht des Er-
ziehungsrathes zu dem Entwürfe eines Gesetzes über die Organi-
sation des gesammten Unterrichtswesens im Kanton Zürich S. 71,
(am 20. September 1832 von dem Regierungsrathe gutgeheissen nach
dessen hsfs. Protokoll, S. 283); über die Mängel der bisherigen
Fachschulen ebendas. S. 33—36 eine sachkundige Kritik (von J. K. '
von Orelli). -* Die Eröffnungsrede des Bürgermeisters M. llirzel
(29 April 1833) S, 2 hebt hervor, wie »die Spezialschulen bei ihrer
abgesonderten Stellung, bei ihren kärglichen Hilfsmitteln den ge-
steigerten Anforderungen unserer Zeit nicht mehr ^tsprechen
konnten.«
^ Von dem Bewusstsein der Kulturübertragung. Rectoratsrede
von 1864 (Zürich, Schabelitzscher Verlag) S. 5 ff.
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- 24 —
^ Vgl. Anm 2. Erst einige Monate nach Zwingli's Tode, aber
gemäss der im Wesentlichem von ihm bereits faktisch eingeführten
Ordnung, geregelt am 17. Februar 1532 und definitiv am 16. Dec.
1546 (Bullinger a. a. 0. I, 113 und 124): »So hat man sich auch
der personen vereiniget, das da . . . syend item zwen lectores oder
professores der biblischen geschrifft und linguae hebreae, ein pro-
fessor linguae grecae, ein professor linguae latinae, ein medicus
lind physicus, der^n jeder zu siner besoldung ynimpt ein chor-
herrenpfrUnd«. Mit zunehmender Pfriindenerledigung erfolgten all-
mählich weitere Einrichtungen, besonders die Stiftung von 30 — 40
Stipendien für ßtudierende am 4 Mai 1555
Die ganze Neuerung, wahrhaft die Gründung einer theologisch-
philosophischen Fakultät, ist Zwingli's Verdienst und erfolgte un-
mittelbar nach seiner Ernennung zum Schulherrn (Scholarchen) am
14. April 1525 »durch Propst und^Capittel«, wie Bullinger (von der
reformation der Propsty oder Kylchen zu dem grossen Münster zu
Zuryeh, als Anhang zum zweiten Bande des Werkes von den Ti-
gurinern und der statt Zürych sachen, 1574 geschrieben, Hsft. der
Stadtbibliothek) Bi. 349 6 meldet. Gleich seine Ernennung geschah
nach Bullinger »mit dem empfälch, das er um geleerte lüth Sachen
und die sulIen^ dem capittel fUrstellen , domitt nun meer nach der
verkomnuss gehandlet wurdea. Diese Nachricht ist zwar von Job.
H Hottinger {schola Tigurinorum Carolina. Tiguri i66A p. 38 sq.) dahin
ins Ungemessene amplifiziert worden, das Kapitel habe Zwingli
aufgbtr£^en, ul viros magnos undiquaque conquireret, conquUilos blande
invilarel munificisque slipendUs alliceret: mox famU Zwinglii ejusque »tu-
diorum amore, lileras exulanles ubique in Helveiia praeserlim Tigurum
Iransferendi zelo, effeclum esiy ut doctissimi quique ad novae seholae con--
fluerent encoenia; aber auch auf die ursprüngliche Fassung zurück-
gebracht, gibt sie Bedenken Raum; aus Bullinger selbst ersieht
man einerseits, dass zunächst nur Wiesendanger (Ceporinus) neu
nach Zürich berufen wurde (noch im April 1525) für alttestament-
liche Exegese; anderseits erfährt man (da Ceporinus noch am
Ende desselben Jahres starb) aus der Autobiographie seines Nach-
folgers Pellicanus (Auszüge von S. Vö'gelin im Zürcher Taschen-
buch für J858 S, 187), dass Zwingiis nun verlorenes erstes Be-
rufungsschreiben an ihn nicht im Namen des Kapitels, sondern »im
Namen des Rathes und der Verordneten« abgefasst war; aus dem
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— 26 —
zweiten, PelHcan wie Zwingli gleich ehrenden Vocationsbriefe dd.
12 Januar 1526 (opera VlI, 462) erhellt nur, was sich ohnehin er-
warten Hess, dass Zwingli damals in Berufungsangelegenheiten bei
Regierung und CoIIegen das entscheidende Wort besass, wie auch
Pellicanus ihm einmal kurz von dem mysterium inslUuli iui de me
suboniando (opp. YII, 454) spricht, und au.ch das Vocationsflehen
eines Anderen Zmnglio Tigurinae eceUsiae archiepiscopo (opp. VIT, 418
sq. cf. 449 sg ) in unschöner Weise illustriert. Bullinger hat wol
Zustände in der Erinnerung , wie sie erst einige Jahre später ein-
traten ; eine genauere Prüfung lässt, wie man sieht, Zwingli's Ein-
fluss auf die neue Organisation doch nur anders geartet, aber eher
noch stärker erscheinen, als Bullinger angibt.
Die Einrichtung der Vorlesungen, welche am 19. Juni 1525 im
Chore der Grossmünsterkirche begannen, war anfänglich von überaus
edlem und freiem Charakter, Nach einem innigen Gebete Zwingiis
las ein Student eine zu behandelnde Bibelstelle lateinisch, Cepori-
nus in hebräischer, Zwingli selbst in griechischer Sprache, Die
beiden letzteren fügten lateinisch ihre sachlichen und linguistischen
Erklärungen bei (den rächten verstand und bruch des gägenwär-
tigen ortes); ein Prediger wiederholte deutsch das in beiden
Sprachen Gelehrte und schloss mit einem Gebete; Pfarrer, Predi-
ger, Chorherren und Caplane waren zur Anwesenheit bei diesen
am Morgen stattfindenden Vorlesungen verpflichtet (Bullinger, Re-
formationsgeschichte 1 , 190). Für die Studierenden allein waren
daneben noch von Anfang an Collegien über Profanautoren in la-
teinischer und gnechischer Sprache (ein hUloricui oder poeta) von
12—1 und von 4—5 Uhr festgesetzt (Bullinger, von der Reformation
der Propsty a. a. Bl. 349b).
lieber das Lokal vgl. (S. Vögelin) Gesch. des ehemal. Chor-
herrengebäudes (Neujahrsbl. der Stadtbibliothek 1853 und 1854)
II, 4 fi.
' Bei Zwingli's Lebzeiten .finde ich übrigens den Namen nicht
gebraucht, weiss auch nicht zu sagen, von wem er zuerst ange-
wendet wird ; über die Anlange des Coli. Carolinum vgl. sonst
J. J. Wirz, historische Darstellung der urkundlichen Verordnungen
(Zürich 1793) 1 , 214 ff.
8 Näheres bei Wirz a a. 0. S. 344 fl.
^ Hottinger, schola TiguHnamm Carolina p. 2 sqq.
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— 26 —
^0 lieber die sonderbare Stellung des Rectors am Garolinum
vgl. Wirz a. a. 0. S. 350 fi.
" Vgl. (G. von Wyss) Kaiser KarPs des Grossen Bild am Münster
Zürich , Neujahrsblatt der Stadtbibliothek 1861 , S. 6 und den ge-
nauen Abdruck S. 12, 13; Interpolationen originellerer Aufzeich-
nungen, die in dem fraglichen, wesentlich als Abschrift zu be-
trachtenden, noch im neunten Jahrhundert begonnenen Rotulus
(aufbewahrt in dem Züricher Staatsarchive) stattgefunden haben
ktfnnen, dürfen doch nur für das Güterverzeichniss , den Anfang
eines Urbars, angenommen werden, dessen Anlegung in Folge der
Gründung der benachbarten Frauenabtei 853 zur Wahrung des
Besitzesrechtes um so mehr geboten sein mochte , als auf diese
zunächst die volle Gunst des Königshauses fiel.
12 •— ad inerementum eongregationii €an(on)icorum, ut ibidem regulari
diiciplina vivenles die noeiuque indeficiendo sepciet in die domino laudes im-
plendo iubtisterent; erste Aufzeichnung, a. a. 0. S. 12. Haee mnt
nomina presbiterorum , gut ... $ub uila canonicorum . . . ibidem populii
eatholieae fidei et ehristianitalis omni tempore minislerium querere et habere
atque domino et sanclis martyribus Felici et germane ejus Regule ierviendo
permtmerent; zweite Aufzeichnung a. a. 0. S. 13. Bullinger, von
den Tigurinern, Buch IV, Kap. VIII, bringt Abschrift einer zu seiner
Zeit noch erhaltenen , formlosen Urkunde Karls des Grossen dd.
Turego anno imperii nostri 10, indict. 13^ wozu schon Bullingep bemerkt
fand: videtur irrepsiese mendum et scriptum indictione 3 pro 13, Das
Verhältniss dieses Falsums zum Rotulus bliebe noch zu untersuchen;
der Bischof Theodorus {epieeopus noster piae memoriae)^ der die Kirch-
weihe vorgenommen, wird hier durchaus verstorben gedacht.
^3 Heinricus . . . praedecessor noster rationabiliter adtendens , quod . . .
Karolus magnus . . . ecclesiam Thuricensis prepositure . . . eleganter fundavit^
doi(ivit, ipsam divitiis et honoribus deeenler ampliando . . . statuii. Urkunde
Bischofs Eberhard von Konstanz, 22. Februar 1272, abgedruckt bei
G. V. Wyss, a. a. 0. S. 15, aus einer Scheuchzerschen Abschrift
der Stadtbibliothek n. 625; das Original scheint verloren. Mit der
Beziehung auf den Vorgänger darf man sich nicht täuschen lassen,
vgl. unten Anm. 22 und Anm. 27.
14 Thesaurus prepositurt ab anno 1333, Staatsarchiv Nr. 263 Pr.
(abgedruckt bei üottinger hi^toriae ecclesiastieae novi testamenti t, Till,
p. 175 sqq.), ein langer, schmaler, enggeschriebener Pergament-
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— 27 —
streif, ein Schatzinventar enthaltend, ausgestellt nach der am 25
Febr. 1333 erfolgten Wahl des neuen Schatzmeisters Rudolf Brun.
Zeile 13: liem unum plenarium sine lapidibtu. Item duo libri omeliarufn
Saneti Karoli (von anderer Hand hinzugefügt : qui sunt in libraHa).
Zeile 16: Item unus liber dielus Ludermarkt, Item psalterium beati
Karoli, Zeile 17: Item libellus orationum beati Karoli scrip^
tue cum literis aureis. Item liber missalis dictus Winterteil (von an-
derer Hand: habet nunc praebendarius altaris saneti Blasii). Zeile 48:
Item alba quondam dicli Trembelins de serico cum pectorali saneti
Karoli,
^^ »CarolidessEeisers bettbuch in gold gefasset«. Bullinger, von
der Reformation der Probsty zu Zürich, Blatt 320«, vgl. oben Anm. 6
und ähnlich bei Hottinger, hist, eccl. VIII, 184, Bullinger, Refor-
mationsgeschichte I, 122 hat nur einen Auszug.
« Vgl. Anm. 73.
^7 Es hatidelt sich um zv^ei Handschriften der Eantonalbiblio*
thek, nämlich:
a) Cod. membr. in 4® n. 176; das von Blatt 113« bis 136 1>
gehende, im Beginne des zehnten Jahrhunderts angelegte Martyro-
log mit beigeschriebenen nekrologischen Einzelchnungen , die bis
in das folgende elfte Jahrhundert fortgesetzt wurden, ist eben von
Hrn. Dr. Emil Grünauer zu einer erschöpfenden Edition vorbereitet,
daher ich mich an diesem Orte einer näheren Beschreibung ent-
halte. Noch von der ersten Hand findet sich eine auf die Zürcher
Kirche bezügliche Notiz (BI. 119^), zum 10 und 11 Sept., Vigilie und
Festtag der Lokalheiligen Felix und Regula, von jüngerer Hand nach-
getragen, zum 28. Januar aber nur Erinnerung an S. Agnes-Octav.
b) Cod. membr. in 4^ n. 172; dieser besteht aus zwei ur-
sprünglich ganz verschiedenen Abtheilungen
a) Die zweite Hälfte des Bandes enthält (fol. 38 — 39) auf
älterem feinerem Pergamente astronomisch-mathematische Abhand-
lungen mit zahlreichen arabischen Kunstausdrücken (fol. 42: Placuit
autem mihi inprimis pauea de eius utilitatis effectibus perstringere, ut prudens
animus quid exhac petat seiat et arabici fontis unde dei amminiculatione
dirivata est stabilem obseruem seriem non quasi novum aliquid dieendo sed
quasi negleclum aut oblitum commonendo : qui hee legit inventa priscorum
relegit). Die Schrift aus dem Ende des zwölften oder Anfange des
dreizehnten Jahrhunderts gibt, der Arbeit vielleicht Bedeutung für
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die Geschichte der Mathematik. Inc.: Ad iniimoi summe phylosophie
dUeipHnai, Expl. : ut lucidius inlellegai occulis appone. mei smper me-
mento. Eben diese zweite Hälfte trägt ausdrücklich (Fol. 38 reeto
und verso) zweimal das Eigenthumszeicben des Grossmbnsterstiftes
mit Schrift des 16. und des 15. Jahrhunderts: Geomelrieus liber per-
linens ad capUulum und ad cap(Uulum) l(uricen8e).
ß) Die erste stark beschnittene Hälfte des Bandes (fol. 1—38)
enthält auf jüngerem gröberem Pergamente chronologisch-astrono-
mische Abhandlungen aus dem 13 und 14. Jahrhundert [Ine, De
embolismo Defeetw lune. Comequenter videndum est dequarUo anno lunari
cei) vor und hinter einem Festkalender, der mit einer tabula DyonUii
auf dem letzten Blatte eine eigene Lage (Bl. 15—21 incl.) bildet
und im 12. Jahrhundert angelegt ist; selbst S. Bernhard (20. Aug.),
der bereits am 18. Januar 1174 {Ja/p reg n 8287 sqq) kanonisiert
wurde , fehlte ursprünglich , ist irrig zuerst zum 27. August, dann
erst am rechten Orte von jüngster Hand sec. XV. nachgetragen,
aber von Anfang an waren die Züricher Lokalheiligen zum 11. Sept.
{Felicü et Regulae) verzeichnet Zum 28. Januar hat die erste Hand
nur sedes clavis quadragesime (roth) und octaua Agnetis geschrieben.
Noch bemerke ich, dass sich aus einer mit 1238 beginnenden, mit
1568 endenden chronologischen Zusammenstellung auf Blatt 21^
auf eine zwischen 1260 und 1288 geschehene Eintragung der er-
wähnten dionysischen Tafel mit Sicherheit schliessen lässt. Wie weit
sie mit dem von Neugart dem Gantor Konrad von Mure zugeschrie-
benen calendarium de sanctü, in dessen Zeit sie sicher gehört, iden-
tisch ist, bliebe noch zu untersuchen (vgl. G. Morel im neuen
schweizerischen Museum. Basel 1865, V, 1, S. 57).
^8 — assensu et auctoritate domini Paschalis — corpus ejus {Caroli)
sanctissimum . . . elevavimus IV, Kai. Jan Urkunde Kaiser Friderichs L
vom 6 Jan. 1166 (bei Bolland Acta Sanctorum m. Jan. IL 888b). Von
dem Gegenpapste Paschalis HL scheint eine ausdrückliche Aeusse-
rung doch nicht erhalten.
>9 Verum quod non reperiantur legilimi pontifices illud diploma abo*
levisse aut impugnasse aut prohibuisse res sie tacita permissione siue tole-
rantia perseverat, ut scilicet in propria ecclesia, ubi sepultus fuity in Galliis
coleretur; ita quidem canonum praecipui interpretes declararunt, — Ceterum
propagatus postea noscitur ejus cultus in alias ecclesias Belgii alque Qer-
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— 29 --
maniae, in quibus idem Carolus ianelUatis lüulo celebralur, Bartmii ann.
eceki. a. 814 § LXXXVUL
20 — »wegen den Unbequemlichkeiten, die ihnen der Zufluss
der Pilger aus den verschiedenen Theilen der Welt veranlasst«,
wie Böhmer (Regesten des Kaiserreiches von 1198—1254, S. 242,
Nummer 269) aus dem Düsseldorfer Originaldiploroe König Hein-
richs des Jüngern (VII.) übersetzt.
31 In dem oben (Anm. 14) erwähnten Schatzinventare des
Stiftes von 1333 (Staatsarchiv Nr. 263 Pr.), bei dessen Aufnahme
von den kostbareren älteren Reliquien wol noch keine verloren
war, findet si6h Zeile 23: lUm cryslallus cum pollice SaneHKaroli cum
lapidibus; Krystail und Steine miissen wol in den Nöthen der fol-
genden Zeiten veräussert worden sein ; bei der Uebergabe . des
Stiftsschatzes am 14. September 1525 (BuUinger, Reformations-
geschichte I, 122) war die Reliquie nur in Siber gefasst: ]>15. St.
Garlins heiligthum in silber eingefasset, 16. St. Gallen Heiligthum
in Silber gefasset,« (Hottinger hist. eccles, VIII, 184) oder, wie
Bullinger a. a sagt: »zwei silberne stuck, daryn gefasset Caroli
und Galli heylthumm;« in der »Reformation der Propsty« a. a. 0.
(vgl. Anm. 15) fehlen die Nummern und das Gallusheiligthum;
ttottinger hatte wol eine offizielle Aufzeichnung vor sich.
22 Excurs. über eine Karl-Legende.
Es ist das Verdienst P. Gall MoreFs, in seiner Abhandlung
»Gonrad v. Hure, Gantor der Propstei Zürich und dessen Schriften«
(Neues schweizerisches Museum V, 1, Basel 1865) die betrefiende
Stelle (S. 52) zuerst bekannt gemacht zu haben. Die entscheiden-
den Worte lauten: Nota quod venerabiles in ChriMo praeposilus et ca-
pitulum Äquensis ecclesiae Rudolfo praeposito dicto de Hottingen et capUulo
Thuricensis praepositurae Constantiensis dioecesis per certos nuntios et lit-'
ieras supplicanlibus quaedam de reliquiis bealissimi imperaloris cum legenda
et hiitoria cantuali musicata et modum o/pciendi de ipso sub lillera et
sigillo auclentico (ransmiserunt. Et hujusmodi reliquiarum sollemnys
praesenlacio et receptio facta est anno dei (sie !) MCC tricesimo tertio festo
Cosmae et Damiani et ab illa die usque ad praesens festum Karoli cele-
bramus ad gloriam et honorem regis omnium regum qui trinus in personis
unus in substancia uiuit et regnat per omnia seculorum. Amen Von dem
Fundorte ganz abgesehen sind ^ die hier gegebenen Nachrichten
wegen folgender Momente glaubwürdig und unverfänghch :
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— 30 —
a) der Propst Rudolf von Hottiogen erscheint zuerst 1207,<zulet8t
eben 1233 erwähnt, sein Nachfolger Wernher von Kepfnach zuerst
1240 (S. Vögelin in denMitth. der antiquar. Gesetlsch. IIb 122);
6) von dem Reliquienstücke habe ich bereits oben Anm. 21 ge-
sprochen ;
e) ftlr die Worte hisloria cantuali muiicata et modum offkiendi gibt
das Schatzinventar von 1333 (vgl. Anm. 14) den Beleg, wo es Zeile
4 v. u. heisst : Ilem hystaria beati Karoli musice icripta et nemata ; Brief
und Siegel der Achener Propstei sind freilich verloren.
Die ganze Aufzeichnung, deren sachliche Richtigkeit hiemit
belegt ist, zerfällt nun aber in zwei Theile : einen ursprünglicheren
von ofiicieller Haltung, wie die förmliche Bezeichnung des Achener
Stiftes mit venerabiles in Christo, die rechtliche Häufung der Aus-
drücke bei der Uebergabe : hujusmodi reliquiarum sollenmyi prae^eft«
tacio et reeeptio genügend darthun, und einen jüngeren Zusatz et ab
iUa die — amen, dessen lebhafte Haltung auf einen Angehörigen des
Stiftes schliessen lässt. Bleibt man bei den vorliegenden Nach-
richten stehen — und keine spätere Erwägung lässt solche Be-
schränkung bedenklich erscheinen — so ist das einfachste, anzu-
nehmen, dass eben zu dem von Achen übersendeten Exemplare
der Geschichte Karl's unmittelbar nach der Jimpfangnahme die
ältere Notiz eingetragen wurde ; die Weglassung des Namens Caroli
hinter beatissimi imper€Uorii lässt mindestens auf eine ohnehin von
demselben handelnde Schrift schliessen und schwerlich gab es
eme passendere für diesen Zweck als die neulich übersendete.
Denn keineswegs ist mit legenda et hittaria eanlualis muiieata
eine und dieselbe Schrift gemeint. (Morel a. a. 0. S. 52 und 57).
Wie man aus du Gange (j. v. histaria ed. Hendsckel III, 672 b) ersieht,
ist unter hisloria vielmehr ein Theil der dem bestimmten Tagesheiligen
gewidmeten Feier {historia pro ipso fetti officio) zu verstehen*); hier
ist also ohne Zweifel das Officium mit der Sequenz Urbs Aqueneis,
urbs regalis eet. gemeint {Einhardi vita Karoli ed. G, H, PerU in usum
* Einer brieflieben Mittheilung des Hrn. Bibliothekar Morel entnehme ich, dass
sich in der Einsiedler Papierhaodscbrift in Folio n. 81 auch ein Officium für den
Karlstag befindet, welches geradezu heisst: hyitoria dt tancto Karolo Magno impe-
raiort, viel grösser ist als das bei Canisius abgedruckte und folgendes Zttrich betref-
fende Responsorium enthalt: Letare pio festo ThuregenHs ecclcsia! ExcUta tarn tancH
principU habere tuffragia qui sua regali munißcenHa te ditavU et beavit in gloria, cujut labore
impenta et opere meruisti gloriota consistere.
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— 31 —
seholarum^ ed. II, p. 43)^ deren drei erste Verse man in Zürich, das
sich doch urbs regalis regni sedes principalis , prima regum curia nicht
nennen konnte , mit eben so vielen Sylben in Urbi Thuregum urös
famosa quam deeorani gloriosa sanetorum suffragia (6. v. Wyss a. a.
0. S. 14 aus Canisius lectiones arUiquae ed. 1725 II, W5sqq,) abänderte.
Unter der Legende {cf. Du Cange «. v. ed. Henschel IVy 63) da-
gegen ist eine in Achen entstandene Zusammenstellung prosaischer
Nachrichten über Karl verstanden, die zunächst allerdings eben-
falls für kirchlrchen Gebrauch, nämlich zur Vorlesung am'Earlstage,
bestimmt war, der Wundergeschichten nicht entbehren konnte,
daneben aber doch meist und vollends hei einem solchen Heiligen
auch historische Momente bot und zu Hinzufügungen einlud. Dass
anderseits die Achener Kirche Interesse an der Verbreitung des
Ansehens ihres noch immer nicht förmh'ch sanctionierten Heih'gen
hatte, versteht sich von selbst
Man wird nunmehr sagen dürfen, dass am Schlüsse der aus
Achen übersendeten Legende die uns angehende offizielle chronolo-
gische Notiz vielleicht durch den Propst selbst, vor dessen Namen
sonst das Wort Dominus nicht fehlen würde, eingetragen und der
Zusatz et ab illa die — Amen später hinzugefügt wurde.
Ich habe bis hieher absichtlich die Art der Ueberlieferung
ausser Acht gelassen, aufweiche diese Nachrichten zu uns gelangt
sind und nicht ohne Verwunderung bin ich der verwickelten Form
derselben gefolgt, die mich eine Zeit lang gleichsam neckte. Der
zuvorkommenden und unermüdlichen Gefälligkeit des Herrn P.
Bibliothekar G. Morel zu Einsiedeln habe ich es zu danken , dass
mir die betreffende Handschrift, auf welche der genannte Gelehrte
zuerst a. a. 0. aufmerksam machte, für eine längere Benutzung
zugesendet wurde.
Es handelt sich hier um die Kleinfolio-Hsft. Nr 245 der Ein-
siedler Stiftsbibliothek , welche auf grobem Papier mit groben Mi-
nuskelzügen von Einer Hand geschrieben ist, und zwar im Jahre
1493, wie auf dem innern Deckelblatte und fol. 47 6, nach neuer
Bezeichnung, zu lesen ist (finis est huius libri anno etc, LXXXXIII),
Aus weiteren Bezeichnungen an ersterer Stelle entnimmt man, dass
die Handschrift früher dem Kloster Kempten gehörte, von da nach
einem St Gerold in Vorarlberg und endlich nach Einsiedeln kam ;
sie zählt dermalen nur 63 Blätter; der Schluss, und, wie man aus
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-• 32 -
der alten Paginierung sieht, die ersten 17 Biälter sind verloren ; ich
bediene mich der neuen Paginierung, welche auf dem ehemaligen
18. Blatte mit 1 beginnt. Die Handschrift zerföllt auf den ersten
Blick in einen prosaischen und einen poetischen Theil ; der letztere,
fol. 48 A bis 63^, enthält den tracialm de monasterio Campidonensi;
schon Morel bemerkt, dass es der bereits gedruckte des Johannes
Birk sei ; der Traktat hat fUr uns nur so weit Interesse , als er
unbedingte Liebe und Verehrung Kemptens in Versen ausspricht;
die Geschichte des Stiftes bricht fol. 63b mit dem betrübenden
Ereignisse der Unterwerfung unter das Bisthum Constanz im Jahre
1382 ab; noch auf dem Blatte vorher hat die Bestätigungsbulle Papst
Martins IV. für das Stift — so viel ich sehe , der Kernpunkt aller
Kemptener Ansprüche und Fälschungen — gebührende Lobpreisung
erfahren.
Aber mit keinem Worte wird angedeutet, dass der in der
Handschrift nicht genannte Verfasser der Verse ein anderer als der
der vorangegangenen Erzählung sei. In der That -liegt nun auch
nicht der geringste Grund vor, Johannes Birk die Autorschaft; auch
des prosaischen Theiles zu bestreiten und es lassen sich positive
Momente für diese Angabe anführen.
Ueber Birk's Leben entnehme ich nämlich SchallenmUllers
Geschichte der Stadt und der gefürsteten Grafschaft Kempten
(Kempten 1840) S. 587, dass derselbe aus Biberach gebürtig,
Magister der freien Künste und kaiserlicher Notar, seit 1465 Rector
der Stiftschule war und den Tractatus 1494. beendete. Der Ver-
fasser des Prosatheiles unserer Handschrift sagt nun von sich, fol.
22 « : sicul in geslis ipsius {Karoli) apud ParUiacum pagum iriumphamus
nos legisse; dass das betreffende Gitat der 23 von dem Kaiser ge-
gründeten Klöster irrig — ein Irrthum, den aber auch schon
eine ältere Karl-Legende gehabt haben muss, wie sich eine solche
in einem verlorenen Züricher Exemplare des Otto von Freising fand
nach dem Statutenbuch der Grossmünsterpropstei Tit 37, vgl. Anm.
26 und 33 — und aus dem anonymen Leben Ludwigs des Frommen
Kap. 19 mit Weglassung von Masciacum entnommen ist , thut doch
der Consta tierung von Studien des Verfassers in Paris keinen Ein-
trag, die zu Birk's bedeutendem Ansehen stimmen. Seine Arbeit
ist zunächst zum Vortrage für Zuhörer bestimmt (fol. 14«): De post
%}olo V08 (l) esse notandum quod hie loquor solum de Ula Hilligarda,
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— 33 —
que uxor vera Karolimagni erat. Er schreibt für Bewohner des
Stiftes fol. 15«: über die Grilnderinnen von Buchau und Kempten
hec compendiose su/ßdunl; nam croniea de his in foribus eti. Im Uebrigen
beabsichtigt der Verfasser noch eine ähnliche ausführlichere Arbeit :
(fol. 16b) kec ad praesens sufpcial compUasse; nam vila eomite
poslmodum de ipso plura eompilare studebo. In der That findet sich
(vgl. Schallenmüller a. a. 0. S. VII und 587) in einer Münchener
Handschrift {cod. bav. num, 811) unter dem Namen Gotfrieds von
Marseille, Erzkanzlers Kaiser Ludwigs des Frommen eine r>hisloria
Caroli magni et de fundatiane monaslerii in Campidona — rescripla in
oppido Kempten anno lA9A<i, also in dem Jahre, in dem der Tractatus
abgeschlossen wurde und dem folgenden nach Abfassung unserer
Handschrift. Auf die Identität Birks mit jenem Gotfried hat Schallen-
mUller bereits aufmerksam gemacht. (Damit sich aber Andere nicht
gleich mir durch dessen Handschriftenstudium verführen lassen, will
ich bemerken, was ich gütiger Mittheilung verdanke, dass cod, bav.
num. 803 der Münchener Hofbibliothek in gewöhnlichem Octavformat
»von einer ganz modernen Kanzleihand« zwar dieselbe historia Goi-
firidi de Uarsilia enthält, wie der Miscellancodex n. 811, aber doch
nicht aus dem letzteren abgeschrieben scheint.)
Wenn es sonach auch unthunlich ist, an einen anderen Gesammt-
verfasser der uns vorliegenden Compilation zu denken, als Birk
(etwa mit Morel an einen Züricher Gelehrten des dreizehnten Jhdts.)»
so ist die Arbeit selbst einer näheren Betrachtung nicht unwürdig.
Ich meine hierbei nicht den späteren Theil^ in der Hauptsache
Auszüge aus lauter jüngeren Traditionen, fol. 8^ bis 47b (incl.),
beginnend mit den Worten : Quoniam de naliuitate uel eciam puericia
Karoli viri incomparabiliter orlhodoxi nee in scriplis usquam aliquid de-
claralur neque veridica relacione aliquid certum habebatur, ideo hijs prae-
termissis de Karolo hie quedam notabilia subjungemus. Omnipotens igilur
temporum rerum regnorum crealor cet, aus den Thaten Karls von dem
St. Galler Mönch {mon. Germ. S S. II, 731 sqq.). Die Auszüge aus
demselben sind, wol nicht ohne Willkür, anders geordnet, als in
den freilich auch nicht authentischen Handschriften, denen Pertz
gefolgt ist und reichen bis fol. 16b, nur dass fol. 13b bis 15b die
fabelhaften Gründungsgeschichten von Kempten und Buchau durch
Gemahlin und Schwägerin Karls des Grossen eingeschoben sind —
hmpore autem illo nulla erat civitas quasi in Iota Swevia praeter Augustam;
3
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- 34 -
sed solum ville erant cum certis easlris hine et inde; der Verfasser be-
ginnt diesen Excurs emphathisch : scribunt croniste fanlurque pro uero
poelisle de Hiltigarda alma dicenles: o felix locus tempusque felicius quo
felicüsima est procreata Hiltigarda; am Ende aber mündet er in seine
gewöhnlichen Excerpte ein und das ist hier eben der St. Galler
Mönch II, 10 {Mon Germ, SS //, 753),
Nicht minder alteriert erscheint der Rest dieses späteren Theiles
von fol. 16^ bis 47^ , den der Verfasser de sanclitate meritorum et gloria
miractf/ortim nennt : wie Morel bereits anmerkte (a.-a. 0. S. 53) äus
der bei den Bollandisten (Januar. IT, 876) gedruckten Legende und
Turpin bestehend, mit Einschaltungen und Zusätzen; zu den er-
steren gehört die oben erwähnte fol. 22.
Wie gesagt, dieser spätere mit fol. 13b beginnende Theil der
Birk'schen Gompilation ist fUr uns ohne Interesse ; aber anders
steht es mit dem frühern Theile, der mit der im Anfange dieses
Excurses besprochenen Nachricht von der üebertragung der Karls-
reliquien nach Zürich und der Einrichtung des Karlstages daselbst
schliesst. Dieser frühere Theil der Kompilation machte, wie auch
die schon oben angeführten Schlussworte zeigen, für sich ein Ganzes
aus, dessen Eintheilung , da der Anfang unserer Handschrift fehlt,
sich nicht mehr sicher übersehen lässt; die erhaltenen Stücke
scheiden sich in folgender Art :
a) annalistische, nach Regierungsjahren gezählte Aufzeichnungen
über Karls Leben fol. 1» bis 6^ (incl.), beginnend mit dem Jahre
795, im Anschlüsse an atmales Laurissenses (Mon, Germ. 55. /, p. 180
l, 20) uenit ad locum, qui dicitur Luini, in quo predictus Witzan Äbro-
tidorum rex cet. Es mangelt nicht an wunderlichen Irrthümern : von
dem Avarenring heisst es zum folgenden Jahre {l l, p. 182 l. 4):
Ringum Hunorum principem-expolianl , fUr Ysaac Judeum {p, 190 l. 9)
schrieb man Ysaac in deum; was ein emporium ist, weiss der
Autor nicht und schreibt (p, 196 l. 43): Trasto et emporio Rerich
Aber eine, die ältere in den von Pertz sog. annales Laurissenses ent-
haltene Aufzeichnung bietende Recension der fränkischen Königs-
annalen lag unserm Verfasser doch vor; denn es finden sich die
in der jüngeren Umarbeitung fehlenden beiden Stellen :
aus, dem Jahre 798 die Zeltübersendung durch den König von
Galizien (p. 184 1. 3 sqq.];
aus dem Jahre 800 die Angabe über Frost im Juli (p. 186 I. 1).
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-^ 35 ^
Die ursprüngliche HaDdschrift, die unserm Verfasser vorlag,
hatte den nur in der Recension '9 ^ bei Pertz ähnlich vorkommenden
Zusatz (p. 186 1. 21) : et in visione Wetlini Äugiensis motiachi inier tnar-
tyres est annumeratus instdae praediclae. Sie hatte aber noch nähere
Beziehungen zu Relchenau, als eine der sonst erhaltenen; am
Schlüsse der Nachrichten des Jahres 806 heisst es: Waldoni abbati
Heito episcopus Basiliensis successity was dortige JahrbUcher (cont. Aug.
806 ap. Pertz Mon. Germ. SS. I, 49) bestätigen: Hallo Waldoni sttc-
cessil und ebenso am Schlüsse von 810: Egino episcopus Conslanciensis
obiil, was sich wörtlich ebendaselbst z. J. 813 6ndet [cf. ann. Wein-
gart, l. 1. I. 15 Herim. Aug. S S. V, 101) ; derselben Quelle wird die
irrige Nachricht am Schlüsse von SU zuzuschreiben sein: Obil eliam
Halo episcopus Basiliensit imperalore Äquis hyemanle; sollte das obil
aus dem Reisebuche Haitos nach der Rückkehr von Gonstantinopel,
dem odoporicus (odobHc") entstanden sein, von dem Hermann l. 1. p* 102
spricht?
Aber noch viel nähere Beziehungen hat unsere Schrift zu Achen ;
nicht nur ist jeder Aufenthalt des Kaisers daselbst bei allen sonsti-
gen Auslassungen notiert, zweimal am Ende des Jahres 803 und
im Anfange des Jahres 804 ( — redil Aquisgranum ibidem nalale do-
mini celebrando ac hyemando. Tricesimo seplimo anno imperalor Äquis
hyemans cei), sondern zu diesem letzteren Jahre {Einhardi annales
I. 1. p. 192. I. 7) findet sich noch folgender Auszug aus einer zu
Gunsten des dortigen Marienstiftes gefälschten oder zu fälschenden
Urkunde :
deinde Leo papa cum imperalore Äquas veniens capellam sancle Marie
quam ipse Karolus fundaueral dolaueral dilaueral mullimode exornaueral
in praesencia archiepiscoporum episcoporum numero Irecenlorum sexaginla
quinque (d. h. je einer für jeden Tag im Jahre I) excepla innumera
mulliludine ducum marchionum comilum el baronum sollemniler consecral
mullis graciis indulgencüs priuilegiis liberladbus ipsius ecclesie honorem
ampliando, Tandem ipsum papam magnis muneribus honoralum a suis
per Bavariam dedud facil usque Räuennam.
Wenn sonach unsere Schrift den fröhlichen Lenz- und Vor-
sommeraufenthalt des Kaisers in Achen nicht erwähnt, wie in der
Recension 9^ geschieht, so darf man trotz jener Uebereinstimmung
in Bezug auf die oben erwähnte Notiz aus der visio Wellini an-
nehmen, dass dem Verfasser nicht die Recension 9^ vorlag.
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— 36 —
Und man wird sagen dürfen, dass eine inReicbenan
gemachte Abschrift der fränkischen Königsannalen
in Achen für die Zeit Karls des Grossen erweitert
worden sei.
Die Erweiterung hat aber nicht blos im Interesse des dortigen
Stiftes stattgefunden, sondern auch durch freie Einwebung ver-
schiedener anderweitiger Nachrichten besonders aus Einhards
Leben des Kaisers und zwar dessen:
Kap* 21 bei dem Tode Hadrians zum Jahre 796: Karls Schmerz.
Kap. 19: König Pipins Nachkommenschaft bei Gelegenheit von
dessen Tode im Jahre 810.
Kap. 14, 17, 18, 5, 15, 8, 10, 11 am Schlul^se des Jahres 810:
eine Uebersicht über die Kriege.
Kap. 33 am Schlüsse des Jahres 811: die Schatzvertheilung*
Kap. 30—83 bei dem Jahre 814: Ende, Bestattung und Testa-
ment mit Wiederholung der Schatzvertheilung; das 6rma-
rium selbst wird übrigens wOrtlich erst von iuppelleclüem
iuam im 4. Satze gegeben
Ausserdem habe ich nur an einer einzigen Stelle bei der er-
wähnten Uebersicht über die Kriege eine Einschaltung aus dem
MOnch von Sanct Gallen (II. 13 Mon Germ. SS. II. 757 1. 23 sqq.)
zur Geschichte des Dänenkönigs Gotfried gefunden.
Für die Geschichte des Angriffes auf Papst Leo am 25. April
des Jahres 799, in Bezug auf welchen die annales Laurissenses p. 184
1. 28 nur sehr kurz sind und auch die Umarbeitung (p. 1851. 135,
cf. a. 801) keine genügenden Nachrichten gibt, hat unsere Schrift
folgende, auch dem Leben Leo's in der Sammlung der Papstleben
nicht entnommene, sachlich freilich nichts Neues bietende Notiz:
Ädriani papae cognaH et muUi nobiles Rotnani praecipue Paschalis
numiniculalor [nomendator bei dem sog. Einhard a. 801, primicerius
in der vita Leonis ap. Vignolli 2M] et Campulus saccellarius Romo
populum eoneitanles Leonem papam in letanie maioris proeessione eap-
tum eecant ei linguam excidunl. Sed omnipolens Dens reddil Uli visum
et loquelam et de ciistodia noctu per murutn evadens, wo wieder den
ann, Lauris, gefolgt wird.
An Selbständigem wUsste ich im U^brigen nur eine Ableitung
am Schlüsse der Kriegsgeschichten von 810 zu nennen : Et nota
quod Dani dicuntur a quodam nomine Dan qui primus cum sociis suis
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— 37 —
lerram iüam occupal el limitat occupata, unde adhuc dicilur Danimarchia
quod in vulgari Theutanico dicUur Tennemark,
Man sieht leicht , dass die Acbener Erweiterung der Reiche-
nauer Annalenabschrift von einer oder mehreren Händen noch
fernere Zusätze erhalten hat; denn Wiederholungen derart, wie sie
hier aus Einhard's Lebensbeschreibung, insbesondere bei den Be-
stinamungen über die Schatzvertheilung vorliegen, sind nicht wol
Einem Verfasser zuzutrauen, wie ja auch über den Dänenursprung
zu reden kaum mit der ursprünglichen Intention der Schrift
übereinstimmend erscheint.
Hält man nun aber mit dieser Bemerkung, die in dem An-
fange dieses Excurses erörterten Thatsacben zusammen, so wird
man annehmen dürfen , dass die Urschrift der von Achen empfan-
genen Karllegende sammt der dem Schlüsse derselben in Zürich
beigefügten Nachricht von der Uebertragung und Ankunft der Re-
liquien wie ein Zusammengehöriges abgeschrieben wurden, und
der Zusatz über die »bis zur Gegenwart« (lauernde Einrichtung
des Karlsfestes wird alsdann eben dem Abschreiber zuzuweisen
sein. Aber wie weit derselbe an den sonstigen Zusätzen in der
Legende selbst betheiligt sei, wie weit gar erst der letzte Ab-
schreiber Johannes Birk sich noch mit solchen bemüht hat, scheint
mir nicht auszumachen.
Unzweifelhaft dagegen gehört dem Züricher Schreiber die
Nachricht über die Heiligsprechung des Kaisers und die Erhebung
seiner Gebeine zu, welche sich am Schlüsse der Legende und vor
der Nachricht von der Reliquienübertragung nach Zürich findet.
Sie lautet vollständig (Fol. 8«.):
Hie est Karoltu imperator vere orthodoxu$, cuiw corpus Ireeentis el
quinquaginla uno annis oeeuUatum Fridericus Romanorum imperator
secundus a beato Gregorio papa nono impelral canonixari et canonixatum
divina cooperante gratia Aquisgrani in tumulo^ in quo tot annis jaeueraty
levat el ad publicum allare cum mulla sollempnilale reponit in presencia
mullorum principum el magnalum ubi usque in praesens requiescil vene-
rabiliter in nwgno gloria el honore, El nola ceL
In der Zeit der Reliquienübertragung nach Zürich im Jahre
1233, während Beide, Kaiser Friderich II. und Papst Gregor IX.
noch lebten, der letztere sogar erst seit dem 19. März 1227 regierte,
konnte von einem usque in praesens requiescil ohnehin nicht die Rede
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— 38 —
sein, ganz abgesehen davon , dass der Kaiser in dieser Zeit niemals
auf eigentlich deutschen Boden gekommen war. üeberhaupt
aber muss es in Bezug auf die Erhebung der Gebeine und die
Heiligsprechung durch den Papst durchaus bei dem sein Bewenden
haben, was oben (Anmerkung 18 und 19) gesagt ist: An eine neue
Kanonisation Karls durch Gregor IX. ist natürlich schlechterdings
nicht zu denken. Und nur. weil der Trrthum sich bis in alier-
neueste Schriften fortgepflanzt hat, will ich erwähnen, dass Gre-
gors IX. Erlasse und Brfefe von der Heiligeneigenschaft Karls des
Grossen nichts wissen Dem Könige Ludwig IX. von Frankreich
fuhrt er (16. Februar 1236 ap Kaynaldi am. «. a. n, 32. § i) Karl's
Beispiel als eines Kämpfers für den römischen Stuhl und gegen die
perseculores ipsius ecclesiae zu Gemüthe, Über die er nach wiederholten
Kriegen glänzend triumphiert habe: da spricht er von inclytae re-
cordationis Carolo magno, nennt ihn dann idem Carolus. Nicht minder
ruft Gregor (23. October 1236 1. 1. n. 24. § 2) dem Kaiser Fride-
rich II. selbst in's Gedächtniss : vade ad (uorum memoriam praedeees-
sorum et inspice: transi ad felicis recordationis Conslanlini Caroli magni
Arcadii et Valenliniani Imperatorum exempla!
So unmöglich also auch ein solcher Akt Gregors IX. erscheinen
muss, so gewiss die Vorstellung von einer solchen Tbatsache aus"
einer trüben Vermischung der Elevation der Gebeine unter Fride-
rich I. im Jahre 1165 mit der Reliquienübertragung nach Zürich im
Jahre 1233 hervorgegangen ist, so findet sich doch in einem offi-
ciellen Erlasse des Bischofs von Constanz die Sache bereits im
Jahre 1272 (vgl. unten Anm. 27) als feststehende Thatsache er-
wähnt (KaroH ab inclytae recordationis Gregerio papa nono solempniter
canonizati). Da der bezügliche Erlass dem Grossraünsterstifte zu
Gute kam — denn jede Beschützung des Karlkultus in Zürich war
ein Vortheil für dasselbe — so ist anzunehmen, dass dieses Stift
nicht unbetbeiligt an dem Mythus gewesen ist. Ein solcher
Verdacht muss um so begründeter erscheinen, wenn man in Er-
wägung zieht, dass der betreffende Bischof Eberhard, der seitdem
Jahre 1248 seinen Sitz inne hatte, sich auf eine Verordnung seines
Vorgängers Heinrich (1?33- 1248) bezieht, durch die bereits eine
Feier des Karlstages angeordnet worden sei ; und in diese sehr
problematische Nachricht ist auch der Gregorianische Sanctifica-
tionsmythus aufgenommen
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— 39 —
Es liegt nahe, den damaligen ersten Gelehrten der Zttricher
GrossmUnsterkirche, der sich der vollen Gunst seines vorgesetzten
Bischofs zu erfreuen hatte, Konrad von Mure, mit dieser Erfindung
in Verbindung zu bringen ; da aber eine authentische Nachricht
nicht vorliegt , dass er sich mit Karllegenden überhaupt be-
schäftigt hat - denn die betreffende Nachricht Hottingers (schola
Tigurinorum Carolina app. L p. 158], er habe eine genealogia ge-
schrieben und gesta Carali Magni excerpla ex plurimis kistoriU el ehronieis
compilaUi, wird wol so gut vfie Morels ähnliche Annahme a. a. O.
über die Autorschaft unserer Legende auf blosser Combination be-
ruhen — so wäre es vorläufig ungerecht, gegen ihn den Verdacht
einer wissentlich oder unwissentlich begangenen Fälschung auszu-
sprechen
^ stalula ecclesie Turegeruis, wie die alte Bezeichnung der sehr
umfangreichen Originalurkunde im Züricher Staatsarchiv (n. 32 P.)
lautet: Anno damini MCCLVIII vigilia Lwie virginis el martyris (12. Dec]
indictione (vielmehr: cgcli solis] VII, WNos^ Henricus praeposüus elcapUulum,
TuricensU ecclesie noitre in quanlum possumus prospicienles commodo el honori
subscripla proinde slaluimw ad observalionemW eorutndem fide data no^ obli-
ganles iub hoc paclo, ul ex ip$i$ slalulis praeter auciorilalem praepositi el con-
sensum capiluli nichil immtUlari debeal uel omilli. Ä poliori ergo in nomine
domini principium slaluendi sumimus sub hac forma: quum sancti qui in
canone misse exprimunlur a Christi fidelibus debeanl specialiter honorariy
slaluimus j ul si aliquorum ex eisdem sanclis festum vel memoriam hac~
lenus non habuimus^ ipsorum sanctorum saltem memoriam per anliphonam
el colleclam deinceps habeamus. Das Folgende bis zur Mitte ist für
unsere Zwecke ohne Interesse. Ilem licet in ecclesia noslra ex in-
slitulione el ordinalione Karoli imperaloris sanctisimi el ecclesiae noslrae
fundatoris sint XXIIII canonici, sed wque ad praesens annum decem curtes
habeantur, que apud nos choslerhove vulgariter appellanlurj nostrum ad
commodum et honorem ecclesie; nos tamen proinde slaluimus el ordinamus,
ut duae curtes de una per quandam sectionem et una de duabus per quan-
dam unionem nunquam deinceps ßanl, nisi aliud de communi consensu
capiluli racionabiliter ordinelur, —
Item anno domini MCCLX — — — subscripla statuta praemissis
duximus apponenda. Licet cuslos seu Ihesaurarius nosler inier alia
lenelur publicum allare nostrum omare — — proinde slaluimus --, ut
omnia alia ecclesiae allaria — — praeter allare quod dicilnr sancte^Mar-
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— 40 —
garelhe et aUare quod dicüur $ancH Karoli non de sui offieii expeniis^ $ed
de communibus ob^lationibus et proventibiu eapUuH modo debil o expedire
debeal in pallis et aliis consuetis omamenlis eadem iub debila mundilia
comervando. Ilem — statuimus, ul palle et omaius praedictis altaribus
sanctae Margarete et sancti Karoli compelenles — — de communibus
oblalionibus et proventibus minislrentur,
Ilem librarius seu custos armarii librorum ex officio
8U0 et ejutdem expensis omnes libros.tam ad publicum
allare, quam ad chorum quocunque modo pertinenles tene-
lur ligare reficere ac expedire de singulis quibut ipsi libri
ad conservalionem suam modo consuelo videntur indigere.
In lestimonium aulem praemissorum praesentem lilleram sigillit
noslris praeposili videlicel et capiluli patenter communimus Annis domini
et diebus nee non indictione praenotalis^
2* Zuerst unter Propst Heinrich Maness (1259—1271) ' mit den
beiden Schutzpatronen Felix und Regula und zwar über denselben
sitzend, seit etwa 1293 nimmt die »alleinige Figur des Kaisers,
die ein Heiligenschein und d^r Namen Karolus umgeben, das Siegel-
feld ein.« G. v. Wyss a. a. 0. S. 9.
25 Denn in dieser Fassung (vgl. oben Anm. 22 S. 37) darf man
der an der Achener Legende stattgehabten Umarbeitung gedenken.
Excurs über die Züricher Handschrift Ott o's v. Freising.
Die in der Bibliothek der Kantonallehranstalten unnumeriert
aulbewahrte Handschrift des Buches Otto's von Freising de duabus
civilatibus (die sog. Chronik) ist auch für den Karlkult belehrend, und da
Wilmans (Archiv d. Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtskunde XI,
18 ff.) dieselbe trotz gebotener Einsichtnahme nicht besprochen bat, so
mögen hier um so mehr einige Bemerkungen über dieselbe Platz
finden. Ein Band von 16Q Pergament-Blättern (fast 32 Centimdtres
hoch, fast 23 breit) ist sie in je zwei Golummen — mit Ausnahme
vierspaltiger Namensverzeichnisse — grösstentheils von Einer Hand
des dreizehnten Jahrhunderts in i^chö'ner gleichmässiger Minuskel
geschrieben und die fünfzehn ersten Bogen von je acht Blättern
(bis Fol. 113) unten genau numeriert, sowie mit den zwei Anfangs-
worten jedes folgenden versehen — eine Controle , die bei späterem
Umbinden zum Theil weggeschnitten ist. Die Hand des Schreibers
hat fol. 126b die Papstreihe bis auf Alexander IV. (12. Dec 1254
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— 41 -
bis 25. Mai 1261), fol. 128^ die Kaiserreihe bis auf Wilhelm von
Holland (3. October 1247 bis 28. Januar 1256) geführt: die Arbeit
ist sonach zwischen dem December 1254 und dem Anfange von
1256 gefertigt — nach der ungemeinen Gleichmässigkeit der Dinte
zu schliessen, in rascher Förderung. Das achte Buch , die ideale
Schilderung des Gottesstaates der Zukunft, hat der Schreiber, von
dem eigentlich historischen Theile ganz getrennt, an das Ende ge-
setzt ; geschrieben ist dies achte Buch auf zwei Lagen von je 10
Blättern (fünf Pergamentstreifen) mit der nöthigen Conlrole (fol.
151b u.). Aber der Schreiber selbst kannte auch das siebente Buch
gar nicht mehr in seinem wirklichen Bestände. Schon Urstisius,
dem die Handschrift vorlag, bemerkte (S. 196), dass hier mehrere
Kapitel seiner Ausgabe in je eines zusammengezogen, das letzte
Über die Mönchsorden- ausgelassen, das 29. und 31. verwechselt
seien, derart, dass Kap. 25 unserer Handschrift dem 31. bei Urs ti-
sius entspricht, Kap. 26 dem 32. mit Zusätzen, welche Otto fremd,
sind, 27 dem 30., dessen Schlusssatz fehlt, Kap. 28 im Wesent-
lichen bis auf den der Handschrift eigenthttmlichen Schlusssatz
dem 33. bei Urstisius gleichkommt. Mit Kap. 29 (fol. 103a) beginnt
dann — wie auch ein neuerer Leser angemerkt hat — die Fort-
setzung Otto's von S. Blasien, welche sich vollständig his zum
Jahre 1208 abgeschrieben findet, ohn'e dass der Schreiber eine
Ahnung davon gehabt zu haben scheint, wie ihm hier ein ganz
anderes Werk vorliege. Er hat diesem Ganzen historischer Auf-
zeichnungen Verzeichnisse von Päpsten und Kaisern angefügt (fol.
125» bis 138 *>) und dazwischen das regislrum provineiaUf eine Auf-
zählung der sämmtlichen römisch-katholischen BisthUmer, Copie
einer aus einer römischen Sammlung gefertigten Vorlage [Explkit
provinciale quod excerpsU magüler T. de liöris Romane ecclesie ubi hec
plenarie conlinentur foL 134 b). Ueberall ist bei diesen Verzeichnissen
Raum zu Fortsetzungen und Noten gelassen, der denn auch von
verschiedenen Händen des 13. und 14. Jahrhunderts reichlich be-
nutzt ist.
Die Handschrift gehört nach ihren Interpolationen zu den im
weifischen Interesse bearbeiteten (vgl. Wilmans a. a. 0. S. 34fiO;
der in diesem Sinne verfälschte Text von III. 23 und 25 findet
sich z. B. fol. 99t> col a, nur dass in Gap. 25 statt ex improuiso
superueniens einfach collecto milile superveniens gesetzt ist mit Weg-
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- 42 —
lassang des ex improuiso, was dem Welßschen Interesse noch besser
entsprechend scheinen mochte. Dagegen ist unsere Handschrift
von Witielsbachischen Interessen nicht afficiert ; die entscheidende
Stelle gegen die Witteisbacher (VI. 20) findet sich in ungeminderter
Bitterkeit fol. 85^ col. b. Von zwei anderen Interpolationen, die
zusammen betrachtet sein wollen, hat unsere Handschrift die eine,
eine blosse Erläuterung Ottonischer Worte , die sich voin Rande
in den Te^ct verirrt hat (lib HI. proK :- fol. 37« col. a : uel silentio
peccanda eiti) ; dagegen fehlt die andere, eine Lesefrucht eines inter-
polierten Hieronymus, gänzlich (lib. III c 25 p. 63 1. 3SUrst. : Eo
tempore — martyrio coronatur fol. 47* col. b. untenl.
Man darf nach sorgsamer Erwägung sagen, dass unsere Hand-
schrift das Original einer anderen etwas stärker interpolierten ist, aus
welcher die beiden Wiener des sechszehnten Jahrhunderts ge-
flossen sind, die bei Wiimans die Klasse II B biMen (S. 33 a. a. 0.).
Soviel ich aber sehe, hat unsere Handschrift ferner keinen der
bezeichnenden Fehler und der Lücken der noch ganz interpola-
tionsfreien altern Gruppe.
Beide Umstände, verbunden mit der früher bemerkten Eigen-
thUmlichkeit des siebenten Buches berechtigen uns anzuaehmen,
dass unsere Handschrift aus einer altern unter weifischen Ein-
flüssen entstandenen geflossen ist, deren Schreiber die Fortsetzung
des Otto von S. Blasien in harmonische Verbindung mit Otto's
Buche von den beiden Staaten gebracht hat
Entstehungszeit und Quelle der Handschrift lassen sich, wie
man sieht, feststellen; das ist aber keineswegs mit dem Lokale
der Entstehung der Fall; denn die von S. Vögelin (das alte Zürich
S. 68) aufgestellte Behauptung, sie sei im Jahre 127G aus Viterbo
hieher gebracht worden , beruht wol auf folgender Nachricht auf
Blatt 159b neben einer nachträglich angefügten Weihe- und Krö-
nungsordnung des römischen Kaisers : ritum ordinem el modum con-
secrandi regem Romanorum in imperalorum scripsil fraler Lutoldus de
Reginsberg ordinis fratrum prtiedicalorum de Turego Lalerani de libro
cuiuedam cardinalis (wo! dem fortgesetzten Über ponlißcalis des Petrus
Pisanus) anno domini 1276 el huic libro in memoriale perpeluum anno-
tauii anno domini 1277 crastino Verene virginis gloriose. Lutold muss
sonach vielmehr erst nach seiner Rückkehr in Zürich, wo sich die
Handschrift bereits befanden haben mag, am 2. September 1277
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- 43 —
seine ^uf der Reise gefertigte Copie eingetragen haben, wie denn
ebenso zwei andere ähnliche Nachrichten auf dem letzten Blatte
zu verstehen sind , die sich bei Urkundenabschriften finden ; über
der einen: formam iuramenti, quod praestabii rex Romanorum domino
pape scripsit fraler Lntoldus Lalerani de libro euiusdam notarii cum forma
priuilegii, quod idem concedel eidem, unter der andern : htud excepil
frater Lutoldus de inlegro rescripto priuilegii, quod dedil Romane eeclesie
Constanlinus, postquam a beato Siluestro extitil baplizaius; verum preter
ea, que hie excepla sunt, eeclesie Romane indulsit maximas libertales,
que ibi plenius sunt expresse; istud rescriplum inuenit idem frater in Vi-
terbio in domo fratrum predicatorum. Dem Gonvente desselben Do-
minikanerordens in Zürich gehörte, übrigens Lutold aus dem be-
nachbarten Regensberger Dyna^tengeschlechte bereits mindestens
seit dem November 126! an (gütige Mittheilung des Herrn Prof. G.
V. Wyss).
Für den Ursprung der Handschrift beweisen die angeführten
Randbemerkungen, wie gesagt, gar nichts. Aber Urstisius, dem
dieselbe nach beendetem Drucke des Otto von Freising im Jahre
1585 nach Basel geschickt wurde, meldet von ihr (S. 196 vgl.
S. 402), sie trage — vermuthlich auf einem der nun verlorenen
Vorsetzblätter — eine Aufschrift, nach welcher sie, deren Werth zwei
Mark betrage , im Jahre 1280 von einem Magister Andreas, Pfarrer
bei der Peterskirche, den Chorherren zum grossen Münster zum
Geschenke gemacht worden sei.
Von diesem frühern Besitzer zeigt die Handschrift keine Spur
mehr; dagegen besagt eine Eintragung, vielleicht von derselben
Hand, welche die Wahl König Adolfs (5. Mai 129?) auf Bl. 141^
und den Tod König Albrechts I. (K Mai 1308) auf Bl. 128b ver-
zeichnet hat, auf dem ersten erhaltenen Blatte unten : Iste liber est
fratrum ordinis praedicalorum de Turego; darüber steht mit Zügen
des 15. Jahrhunderts : Zurych zum grossen Münster und eben solchen
des 17. : sum bibliothecae majoris Tigurinae. Mit der Notiz bei Ur-
stisius verbunden, muss man sonach annehmen, dass das Buch
von den Dominikanern jenem Pfarrer, der es dem Chorherm über-
geben, zugekommen sei. Das Jahr 1280 wird aber wol auf der
unrichtigen Schlussfolgerung beruhen, dass ein Pfarrer Andreas
von der Peterskirche in diesem Jahre allerdings sonst bekannt ist ; .
nichts verhindert jedoch, einen solchen vom Ende des fünfzehnten
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— U —
Jahrhunderts anzunehmen, in welchem nach dem Jahre 1475 kein
Pfarrername erhalten ist (Hess, Geschichte der Pfarrkirche St. Peter.
Zürich 1793. S. 75, 77). Und auch die Thatsacbe spricht für das
Ansehen der Handschrift bei den Züricher Dominikanern, dass von
einem aus ihrer Mitte eine Copie derselben angefertigt wurde, welche
Urstisius ebenfalls erhielt und welche vermuthlich identisch mit
einem nun verschollenen Exemplare des Otto in rothem Einbände
war, dessen noch im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts gedacht
wird. (Hotz, zur Gesch. des Grossmünsterstifts und der Mark
Scbwamendingen p 325 aus dem Promtuarium von Felix Frei:)
Qwidam varias eeelesias in diver$is regionibut fMraedielo magno Carolo
eonstruelas et fundatas in fine chroniee OUoni$ Frisingensis superducle rubea
pelle subneclit: item ecclesiam imperialis prepositure Thuricensis cet. Weitern
Aufschluss über dieses Cbronikexemplar gibt aber eine Earllegende
in dem 1346 angelegten Statutenbuche des GrossmUnsters (Stadt-
bibliothek, Handschrift G 10, Tit. XXX VU: De quibusdam geslü Karoli
magni imperatarig et confessoris) welche beginnt: Felicis recordationis
dominus Otto Frieingensit episcopus notat in chronica iua in qua scribitur
de gestis antiquorum — — — usque ad Gregorium IX. (X.?) et regem
Rudolfumy qui fuU natione de Habsburg. Et inter ceteros de, magno
sancto Karolo libro V eapüulo XXXI. ita scribit: anno a. i. d, 801 ab
urbe vero eondita 1552 Karolus fit imperator. Et iste Karolus est fun-
dator ecclesie prepositure Thuricensis, Hie 33^ regni sui anno cet. Nach
allgemeiner Erwähnung der KircbengrUndungen des Kaisers wird
die Züricher Gründungslegende ausführlich sammt Güteransprüchen
des Stiftes gebracht: das Alles war also in die bis nach 1273
fortgesetzte Gopie des Otto eingeschwärzt.
Eine Abgabe der uns erhaltenen Handschrift bereits im 13.
Jahrhundert von Seite der Dominikaner» nachdem ein angesehenes
Mitglied des Klosters erst vor wenigen Jahren dieselbe mit einer
Anzahl für jene Zeit sehr interessanter Dokumente bereichert hatte,
ist daher auch von dieser Seite nicht anzunehmen.
Hält man sich nun diese Umstände gegenwärtig, die Benutzung
der Handschrift im Dominikanerkloster zu Eintragungen von Ur-
kunden und Regenten wechseln; ihre Neusicherung durch eine Ab-
schrift, so wird man auch für die Auflassung älterer Zeiten die in
dem Kloster herrschende Ansicht zuweilen kennen zu lernen er-
warten dürfen. Glossen mancherlei Art, besonders von Lutolds
von Regensberg Hand, gewinnen hiedurch ein höheres Gewicht.
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^ 45 -
Für den Kult Karls des Grossen hatte Lutolds Kloster natürlich
nur ein geringes Interesse und es ist bezeichnend genug, dass
obwohl er selbst in den Siebziger Jahren, wie gesagt, Eintragungen
vornahm, von dem bischöflichen Erlasse des Jahres 1272, welcher
Karl an seinem Todestage in sämmtlichen Züricher Kirchen als
Heiligen zu verehren gebot, in unserer Handschrift schlechterdings
keine Notiz genommen wird. Der Auszug aus Einhard, den Otto's
historisches Lehrbuch hier im Wesentlichen giebt, ist nur hie und
da zu wenig bedeutenden Anmerkungen benutzt, so (V, 31 ed.
Urst.) fol. 76» col. b. zu ad Francos derivalum: Hegnum Romanum
ad Francos transferlur oder (V, 32 ed. ürst.) zu aclus ejus ac bella
que gessil: nola de gesiis Karoli, die denn nun freilich nichts von den
Grossthaten der Legende melden. Karls Massigkeit im Trinken (a.
a. 0.) hat einen damaligen Leser in Erstaunen gesetzt: islud est
dignum notalu,
27 Eberhardus d. g. e, Conslanciensis episcopus ÄbbaUisse ordinis
SancU Benedicti, priori predicalorum , gardiano frairum minorum, priori
fratrum ordinis Saudi Augustini et eorundem conventibus, preposito et
capiiulo et universis plebanis et vieeplebanis in Turego — salutem,
hone memorie Heinricus episcopus Constantiensis predecessor noster
de bona eonsilio natalem ipHus Karoli ab inclite recordationii Gregorio
papa nono sollempniter canonizati in oclava Sancte Agnetis occurenlem
firmiter statuil in ecclessiis abbatie prepositure et Sancti Petri in Turego
et in ipsarum ecclesiarum parochiis et lerminis cum omni ueneratione
ferialiter et sollempniter observari^ ut ab omni strepitu causarum et omni
apere servili eodem cessetur natali, maxime cum ipse sanlissimus Carolus
loci Thuricensis evidens extitit exaltalor. Nos antecedentis predecessoris
noslri factum, quod noslrum reputamus^ presentibus innouamus. — —
Datum Constancie anno domini 1272 kathedra Sancti Petri (22. Febr.).
Vollständig bei G. v. Wyss a. a. 0. S. 15.
28 Eine Zusammenstellung der hervorragendsten Persönlich-
keiten jener Zeit gibt ein erstaunlich belebtes Bild, das schon den
zeitgenössischen Minnesänger Johann Hadloube (ed. Ettmüller Nr. V
in den Mittheilungen der antiq. Geseilsch. Bd. IT) frappierte. Vgl.
(G. "v. Wyss) Beiträge zur Geschichte der Familie Maness, Neu-
jahrsbl. der Stadtbibl. 1849, S. 7.
29 — «uss gutem gemüt, durch das göttlich wortt, das sich allen-
thalben uSlhUt, gereitzto, wie Bullinger, Reformationsgescbichte I.,
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- 46 -
115, aus dem Vortrage des Chorherrenstiftes bei seiner SelbslUber-
gäbe an den Rath, 29. Sept. 1523, anführt. Die entscheidenden
Worte des betreflenden Vertrages über Errichtung von Lehrkanzeln
siehe oben Anm. 2. Aus einem ähnlichen sittlichen Aufschwung
gieng das ünterrichtsgesetz vom 28. September 1832 hervor. Vgl.
unten Anmerkung 87.
^ Eberhardus dei gracia Constanciensü episcopus dileclis in Christo
preposito lotique capilulo Turicensis prepositurae salulem in domino.
Literas 11 vestrae petitionis recepimus continentes, quod vos cantorem, quem
hactenus non habuisUs, ordinaverilis de novo^ magi$trum Chonradum (vpn
Mure) II concanonicum vestrum ad idem canloris officium cerlis officiis
ad hoc depulalis proinde assumendo, slatuentes, ut eandem dignitatem, quam
eantores majoris ecelesiae Basileensis habenl, in sessionibus processionibus
et aliis vester cantor in ecclesia vestra debeal optinere, unam eliam thes-
auriam unilo consilio et comensu staluerilie de duabus thesauriis quae
hactenus in ecclesia vestra fuisse dinoscuntur. (Folgen 7 Zeilen.) Nos
ilaque, qui ex officio noslro eeclesiarum nostrae dioecesis commodum
ampliare cupimus et honorem, vestram providentiam propter hujus modi
laudabiles ordinationes de unione duarum thesauriarum et constitutione
seu ordinalione cantoris in ecclesia vestra perpelualiter habendi, in do-
mino commendamus et seeundum petitiones vestras ipsas ratas habendo
et praegratas auctoritate ordinaria de consensu capituli praesenlibus con-
firmamus. Et in hujus confirmationis evidentia'n pleniorem praesentem
litteram vobis conferimuSj sigillo noslro videlicet et nostri capituli patenter
communitam, Datum Constantiae anno domini 1259^ Kalendis Maii in-
diclione secunda. Mit anhängenden Siegeln Der oräo divini officii
per magistrum Chunradum primum cantorem seeundum consueludinem
chori praepositure l'huricensis compilatus, de qua consuetudine praeter
auctoritalem praepositi et consensum capituli nullus canonictu quantae-
cumque auctoritatis vel scienliae non praesumat aliquid immutare , findet
sich als principium breviarii ecelesiae preposilure Thuricensis unter Titel
XIX. im Statutenbucbe der Propslei Grossmünster (Stadtbibl.
Handschrift C 10^) eingetragen, ein strenges Cerimoniell, bei dem
der Verf. seines Amtes Ehre gewahrt hat: Canlore feslivis diebus in
ehoro seeundum exigentiam chori stante nullus canonicus vel elerieus in
choro seiebit, nisi aliqua evidens debilitas vel infirmitas illum debeat ex-
cusare; et quocumque festo cantor est in choro ^ soll canonici ad allare
publicum ministrabunt.
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— 47 —
' ^> Die belrefifeDde Urkunde mit bischöflich GoDStanzer Bestäti-
gung vom 24. April 1273 ist bei Hotlinger {hül eccles. VIIL, 1226
sqq.) im Ganzen richtig aus dem Originale im Züricher Staatsarchive
Nummer 47 Pr. abgedruckt; doch ist u. A. p. 1227 1. 12 v. u. zu
lesen: promlis affeclibus et expediUs e/fectibus, 1228 1. 1 Scholcutria^
1230 1. 13 ScholaslTiae y I. 22 eliam diclus nobilis vir, l. 27 consueta,
i231 1. 20 succeBnores Was ihren Inhalt angeht, so wird durch
diese Urkunde keineswegs zuerst ein Schulenleiter (Scholasticus)
eingesetzt, wie denn nachweislidi (vgl [S. Yögeh'n] Gesch. des
ChorherrengebäudeSy Neuj. 1853, S. 3, Anm. 7) in den Jahren 12^5,
1245, 1248, 1251 solche erwähnt werden; diese irrige Auffassung
stammt von Bullinger (Chronik II, 4), der die Urkunde, obwol er
sie selbst anftihrt, nur flüchtig gelesen haben muss, ist von üot-
tinger nach kurzem Bedenken [quantum ex documenlü collegii assequi
poiui, Schola Tigur, p. 15) in der Kirchengeschichte VIII. 1226 ein-
fach übernommen und von den Späteren beibehalten worden. In
der That wird dem Amte des Scholasticus nur die freie Verfügung
{auctorUaiem liberalüer Iribuenles) über die Schule und ihren Rector, sowie
eine Jahreseinnahme von 20 Mass Waizen aus den Stiftseinkünften
oder zwei von dem Rector zu zahlender Mark Silber, je nach Gut-
flnden bei jedesmaligem Absterben des Scholasticus , endlich das
von dem damaligen Inhaber der Würde geschenkte Haus für immer
gesichert. So wenig bedeutend die Bestimmungen erscheinen, sie
reichten doch in der That aus, die Continuität des Institutes zu
wahren.
32 Denn wie hätte die in der RemptenerCompilation des Jo-
hannes Birk enthaltene Züricher Erweiterung der Achener Le-
gende einer solchen Tradition nicht gedenken mögen (vgl. oben
Anm. 22, S. 29u. 37).!
5^ Es ist die bereits oben (Anm. 26, S. 44) erwähnte, in dem
Statutenbuche des Grossmünsters Tit. XXXVII. erhaltene Legende,
welche sich an eine in den siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts
in die Gopie des Otto von Freising eingetragene Interpolation an-
schliesst (vgl auch Anm. 22, S. 37) und mit einem Auszuge aus
dem Rotulus (vgl Anm. 11 und 12) endet. Wenn Konrad von
Mure, was sich vorläufig freilich nicht erweisen lässt, die Schuld
an den Zuthaten der Karllegende und den Er6ndungen über die
Elevati on der Gebeine trägt, so ist das Schweigen über die Ka-
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— 48 —
roliniscbe Stiftsscbule, die er doch selbst lange leitete , wunder-
lich genug.
3^ Ich entnehme das einer nachträglichen Aufzeichnung aus dem
Ende des vierzehnten Jahrhunderts in dem Statutenbuche Tit. CIX,
wonach Propst Wernher (von Reinach 1373—1383), Domherren und
Kapitel nach langen Verhandlungen über eine Reihe von Punktationen
übereingekommen sind, quae nobis videbanlur et videnlur juri consueludini
et statutis ecclesie noslre consonanda. PHmo quod antiqua et regalis praebenda
beati Karoli magni imperatoris et confessoris ac fundatoris et dotalorü ecclesie
nostre prepositure Thuricensis, queprebenda olim tempore pUture inpane duplici
videlicet simulorum ordinariorum et curie vulgariter hofbrot omnibus ea-
nonicis residentibm et extrarCeis et non residentibus de pistrina dabatur
et obmissa et neglecta a viginti annis circa et ultra etusque
ad lempus praesens , de cetero et in antea dari et ministrari debet
Omnibus et singulis canonicis cet. Folgen Specialbestimmungen über
die Getreidelieferungen an Kanoniker an diesem Tage, die in be-
scheidenerem Maasse auch in einigen Anniversarien zum Karlstage
(Stadtbibl. Hdschft. G \0^ und G 6, letztere die Notiz beginnend :
Karoli magni imperatoris summum festum) notiert sind, in anderen (wie
G 10b, d und e) ist nur der betreffenden Verfügung eines Lutold,
Meiers von Meilen, gedacht.
3* Weder in Statuten noch Urkunden ist, so viel ich sehe, auch
nur ein einziges Mal auf die Translation der Reliquien oder die
Umgestaltung der Schulleitung hingewiesen. Das Statutenbuch von
1346 geht durchaus von der Voraussetzung aus, dass in beiden
Beziehungen bei Menschengedenken keine der Aulzeichnung wür-
dige oder vielleicht auch für die Berechtigungen der Stiftsange-
hörigen relevante Thatsache vorliege Und doch stand das Karls-
heiligthum noch im J. 1488 in solcher Verehrung, dass man ernst-
lich behaupten konnte, gestohlene Reliquien, die nach Zürich ge-
bracht waren, hätten sich unter Karls Schutz geflüchtet. Vgl* B.
Reber, Felix Hemmerlin (Zürich 1846) S. 307.
^ Vgl. im Allgemeinen : Rettberg, Kirchengeschichte Deutsch-
lands II, 796 ff*.
3^ Kap. 71 : (Mon, Germ. Leges. 1 Ö4 sq,] — ut ministri altaris Dei
suum ministerium bonis moribus oment seu alii canonici obser-
vanliae ordines vel monachici propositi congregationes obsecramus^
ut — eorum bona conversatione multi protrahantur ad servitium Dei, et
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-^ 49 —
non poltern servilis eondüionis infantes sed eliam ingenuorum filios adgre-
ganl sibique socianl; ei ut scolae legenlium puerorum ßanl. Als ein ordo
«monieae observanliae und zwar mit den nach dem Muster des Be-
nedictus von Chrodegang vorgeschriebenen sieben Hören (Rett-
berg I, 497), erscheint die Züricher Gongregation in der Tbat schon
in dem ßotulus (vgl. oben Anm. 11 und 12): ad incremenium con-
gregalionis canönicorum, ui ibidem regulari disciplina vivenles die nocluque
indeßciendo sepcies in die domino laudes implendo subsislerenl, oder wie
es in der jüngeren Aufzeichnung heisst: sub uiia canönicorum
siCy ul usqne in euum dum mundus manel mos est, ibidem populis calho-
lica£ ßdei et crisUanitatis omni tempore ministerium querere et habere
permanerent,
^ »Als er aber (um 840) nach Konstantinopel kam, Übergaben
»sie ihn (Konstantinos) Lehrern zum Lernen. Und nach dreimonat-
»lichem Unterrichte in der Grammatik« — die kurze Zeit konnte
bei seiner vorzüglichen Vorbildung genügen — »erlangte er die
ȟbrigen Wissenschaften: er lernte den Homer und die Geometrie
»bei Leo, bei Photios die Dialektik und alle philosophischen Dis-
»ciplinen, dazu die Rhetorik und Arithmetik, Astronomie und Musik
»und die sonstigen hellenischen Künste.» Altslawisches Leben des
heil. Konstaötinos oder Kyrillos (starb 14. Februar 869) Kap. IV.
39 Fr. Lorentz, Alkuins Leben, S. 54 ff., geht von ganz fremd-
artigen Anschauungen bei einem Versuche derart aus und lässt
sich von rhetorischen Wendungen Alkuins täuschen. Psalmos (so
fährt das Anm 37 allegierte Gapitulare von 789, Kap. 71 , fort) nolas
cantus compolum grammaticam per singula monasteria uel episcopia et
libros catholieos bene emendatos — quia saepe dum bene aliqui Deum
rogare cupiunt^ sed per inemendatos libros male rogant — et pueros vestros
non sinile eos vel legende vel scribendo corrumpere.
4ö »Weil Satan in der Unwissenheit der Menschen seine mäch-
tigsten Waffen findet.» Aus dem Gesetzbuche des Staates Connec-
titut von 1650 bei Tocqueville, dhnocratie en Amerique I, 68.
^> Laidradi archiep Lugdun, epist. ap, Mabillon analccta velt. (Paris
1723) p. 8öa-b Vgl. meine Oesterreichische Geschichte I, 151. Er
nennt sich L, licet indignus divina tarnen dispensatione et vestra misera-
Hone Lugdunensis ecclesie episcopus. Christianissima et admirabilis religio
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veslra alque in deum ardentissima fides divina impiralione adlacta et pm"
sima goUicitudine permola jussil ceL
42 Gegenüber der besonders von Leo und Waitz (Deutsche
Verfassungsgeschichte HI. 93, 236) vertretenen Ansicht des ein-
fachen Entscheidungsrechtes der Grossen zwischen Kindern und
Bruder eines verstorbenen Königs, das in der mildei) Bestimmung
der Reichstheilung von 806, Gap. 5 eine Bestätigung zu erhalten
scheint, glaube ich betonen zu sollen, dass bei dem Absterben
Karimann's der Rechtsanspruch von dessen Kindern sehr ansehn-
liche Vertreter gehabt haben muss. Man betrachte nur die Nach-
richten: der ofücielle Annalist weiss nichts von Karlmann's Söhnen
und spricht nur von einigen wenigen Franken, die nach Karls all-
gemeiner Anerkennung mit Karlmann's Wittwe nach Italien ge-
gangen seien {uxor vwo Karlomanni cum aliquibus paucis Francis partibui
llaliae perrexeruni. Ann, Lauriss. 771); Einhards Biographie meldet
aber doch (G. 3), wol nach Erinnerungen der Hofleute, dass ein
Theil der Grossen, und zwar die hervorragendsten von Karlmann's
Hofe, dessen Wittwe und Söhne nach Italien begleitet, Karl aber
zu dieser ihrer Abreise nicht Veranlassung gegeben habe : üxor
eiu$ et filii cum quibusdam qui ex oplimatum eins numero primores erant
llaliam fugam peliit et nullis existentibus causis spreto mariti fralre sub
Desiderii, . . patrocinium se cum liberis suis contulit; in der hienach ver-
fassten jüngeren annalistischen Umarbeitung ist dabei (Einh. ann.
771) Karl noch Langmuth angedichtet. Wer wollte sagen, dass
nicht eine ernstliche Bedrohung von Karls Macht in der Salbung
seiner Neffen gelegen hätte, die man Papst Hadrian I. ansann ?
{Vita Hadriani ap. Vignolli p, 181.)
43 — industrio pietatis studio egit, ut novus quodammodo videretur
mundus magnis luminaribus venustatus et variis vernantibus ßoribus ad--
omatus. Gitat aus einer Rede Papst Johanns VIII. bei DUmmler,
Gesch. d. ostfränk. Reiches II, 647.
4'* Ecclesias donis populos et dogmate sancto Imbuil et cunctis pandit
ad asira viam. Epitaphium Hadriani, noch heute erhalten: vgl. Gre-
gorovius, Geschichte der Stadt «Rom im Mittelalter II, 504; der
Grabstein ward mit der fertigen Inschrift von Karl nach Rom ge-
schickt (ann. Lauresh. 795 SS. l, 36). Gf. Einhardi vita Karoli M.
G. 19: Nuntiato etiam sibi Adriani Romani pontißcis obitu, quem in
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— 51 —
amitis praetipuum habebat, sie ßevii, ut fUium aul si fralrem amimsaei
earisiimum,
45 ^ praeeipue tarnen asironotniae edüeendae plurimum et Itmparis
tt laborU imperlivit, discebal ariem computandi et intenlione sagaci syderum
eursus curiosüsime fimabatur, Binhard l. 1. G. 25.
^6 Äleuini opera ed, Proben I, 181.
*' Cf. ib. ep. 23 p. 33.
«« Gapit. gen. ca. 770. Mon. Germ. LL. I, 33.
49 — quia fonclae eecleeiae euae tarn pium ae devotum in eervitio
Dei concesHl habere reetorem, qui euis temporibus sacrae eapienliae fontem
aperiene oves Christi indesinenler sanetis refieit alimenlis ac divinis in^
struit disciplinis Christianumque populum indefesso labore amplificare
eonatur hilariterque Christi honorat eeclesias ac de fauee diri draconis
muUorum animas studet eripere et ad sinum sanctae matris $cclesiae
revocare atque ad gaudia paradisi et ad regna eoelestia omnes communiter
invitare sancta sapientia sim devotissimoque sudio ceteros reges Irans-
üendens. Sirmondi 1. 1. 274.
50 _ f)ir prudentissimus adque largtssimiu et Dei dispensator: Ann.
Lauriss. a. 796. (SS. I, 182 )
^> Das gewöbniieh Angilbert zugetheilte carmen de Karolo %n Mon.
Germ. SS. II, 393—403.
52 — quid eurae nobis est, ut nostrarum ecelesiarum ad meliora semper
profidat Status LL. I, 44. Er dachte sfich in ein Kloster zurückzu-
ziehen: post obitum suum, sagt er in seinem Testamente bei Ein-
hard Kap. 33 , aut voluntariam seculariutn rerum carentiam. Sein
Kaiserthum fasst er als religiöse Verpflichtung für sich wie die
Untergebenen Eine Belehrung über den neuen Fidelitfttseid, der
dem Kaiser zu leisten war, fasst denselben zugleich als Inbegriff
der Tugend : ut seiant omnes islam in se rationem hoc sacramentum
habere, primum ut unusquisque et persona propria se in sancto Dei servitio
— pleniter conservare studeat LL. I, 91.
^' Augustus sedet urbe potens, Carmen de Karolo üf. 1. 1. v. 94. Einhard
entnimmt seine Phrasen vorzugsweise aus dem suetonischen Augustus.
Als stehender kaiserlicher Titel i9t der Name seit der Krönung an-
genommen. Auffallend ist die Spärlichkeit der Vergleichungen mit
Cäsar und der Benennungen mit dessen Namen, in historischen
Aufzeichnungen chron, Uoissiae. 801 [primus ex genere Francorum
Caesar est appellalus) und ann. S. Gall. 814 (domnus Karolus Cßesar
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~ 52 — .
obiit). Karls zweiter Sohn Pippin wird noch über Cäsar gestellt m
dem Lobgedichte 'über den avarischen Sieg: Quae regna terrae non
fecerunt —Neque Caesar et pagani,
^'* Jaffe regeHa pontificum Romanorum p. 200 n. 1854.
«5 Das earmen de Karolo bedient sich des Namens nur mit Zurück-
haltung, an einer Stelle {^. 416: Rex piu$ interea gelidum trans-
navigai amnem David) ohne einfeuchtenden Grund, an einer anderen
mit besonderem Glänze (v 14) ihn der Sonne vergleichend: Datid
inlustrat magno pielatis numine terrae, was für den faeundm H&merue
(v. 74) des Kreises doch sonderbar ist.
«6 Gap. eccles. a. 789 LL. I, 54. l 11.
*' — et qui redimere voluisset, quod vinum licenliam habuisset bibendi
ipsis Iribus diebue Sic comideraverunt sacerdotes nostri et nos omnes
ita aptißcavimus. Brief Karls an seine Gemahlin bei Sirmondi con-
cilia Galliae 11, 158 Das Moment der Rücksichtnahme auf die
Untergebenen habe ich hierbei in meiner österr. Gesch. I, 132
nicht genügend hervorgehoben.
^^ Ne aliquis^ quaeso, huius pietatis ammonilionem esse praesumluosam
judicet, qua nos errata corrigere , superflua abscidere, recta cohartare
sludemuSy sed magis benivolo caritatis animo suscipiat. LL. I, 54. 1. 8 sqq.
55 Schon Einhard's {vita v. 25) Satzentlehnungen aus Suetonius
sollen hier sichtlich, den Kaiser seinen gelehrten römischen Vor-
gängern Titus, Augustus und Tiberius gleichstellen.
^ Grammaticae doclor constatpraelucidusarlis; Nullo unquam fuerat
tarn elarus tempore leclor; Rhetorica insignis vegetat praeeeptor in arte;
Summus apex regum^' summus quoque in orbe sophista, Carmen de
Karolo üf. V. 67 sqq. Adeo quidem facundus erat, ut etiam didcucalus
appareret, Einhardi vita K, M, C. 23.
<>> Aleuini opp, ed. Froben I, 180. ep. 124.
62 (Jeber die betreuende Schenkung an Paiilinus von Aquileja
und die entscheidende Stelle aus dessen liber exhortationis vgl.
meine üsterr. Gesch. I, 142 fi.
^ Vgl. Otto Abel, Einleitung »zur Geschichte der Langobarden
von Paulus Diaconus (Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit.
Berlin 1849) S. XIL
^'* In diseenda grammalica Petrum Pisanum diaconwn senem audivii.
Einhard I. 1. G* 25. Petrus klagt selbst in einem Briefe an Paulus
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- 53 -
DiacoDus, in welchem er um Auiltisuiig eines ßälbsels bittet, über
seioe schwachen Geisteskräfte. Vgl. Betbmann, Paulus Diaconus
Leben und Schriften (Archiv d. Gesellsch. für alt. deutsche Ge-
schichtskunde X.) S. 263; wobei ich doch auch bemerkt haben
will, dass ich Paulus nicht wegen seiner zweifelhaften Autorschaft
des 3chlecbten Auszuges aus Festus zu unseren Lehrern zähle.
^^ lieber die politischen Bedingungen der beiderseitigen Stel-
Jungen vgl. Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands II, 594 ff. Im
Einzelnen : Jaffi regesta n. 1856, 1870, 1897, 1899. Sachlich am
stärksten ist n. 1876 (Mansi coli. conc. XII, 793), in dem sich Hadrian
Ermahnungen wegen Sittenbesserung verbittet.
66 _ pfo honore veslri palricialus nullushomo esse videtur in mundo,
qui plus pro vestrae regalis excelknliae decertare moliatur exaUalione^
quam nostra assidua aposlolica depreeatio. Jaf!^ 1. 1. n. 1895. (Mansi
1. l. 800«) Vgl. oben Anm. 44.
6^ _ qua magis nohi^ necessaria videbantur, wie Karl (LL. I, 54]
bei der Publikation sagt.
^ una cum fidelissimis missis vestris^ ut nobis direxislu praedicti
Offae regis missos libenli animo suseipienies. Schreiben Hadrian's an
Karl dd. 789 ap. Mansi coli, concii. XII, 804.
S9 Gapitul. Francof. 794, G. 56: die Reichssynode nimmt den
noch fremden Alkuin als Mitglied nach Karl's Empfehlung auf;
G. 1 verkündet die einstimmige Verwerfung der abweichenden
Meinungen. Die entscheidende Stelle für Alkuins Unionsthatigkeit
der angelsächsischen und fränkischen Kirche bringt, wol aus gleich-
zeitigen Aufzeichnungen, Florentius vom Woroesterund daraus Roger
von Hoveden p. 405 (ed. Francof. 1601), der mir allein zur Hand ist.
Alkuin brachte hiernach aus England die Darstellung seiner eigenen,
Karl's Wünschen entsprechenden Auffassung ea?p^«ona episcoporum ac
principum nqsirorum regi Francorum, Die Verleihung von Tours er-
folgte im Jahre 796 (AIcuini opp. I, 151). Daneben besass er seit
längerer Zeit Ferneres und St. Loup zu Troyes (AIcuini vita anon.
Gap. 6, opp. I, LXIV). Atif den ihm zugewiesenen Gütern sollen
über 20,000 Leibeigene gelebt haben (Lorentz a.a.O. 275). Soviel ich
sehe, beginnt ein durchgreifender Einfluss Alkuin's doch erst mit
dem Frankfurter Tage. Lösung von vielen geschäftlichen Verpflich-
tungen war die Bedingung seines, Bleibens (vita anon. G. 8, cf. ep.
101, p. 151 adn. d., ep. 168, p. 228).
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-- 54 —
^^ Aicuini opp. I, ep. 65, p. 87: poteitU ex hac tpeculaliane veslris
demamlrare familiaribus quam jucunda sil ei ulilU arithmetieae dis-^
ciplinae eognitio, p. 53, ep. 38: — per omnes saneiae seripturae paginae
exhoTlamuT ad sapientiam dUcendam; nil esse ad beatam vitam sublimius
adipiscendam eet,
7^ LL. I, 52: quia quod pia devolio inlerius fideliter dielabal , koc
exterius propler negligerUiam discendi lingua inerudUa exprimere sine
reprehensione non valebat Die AnsetzuDg des Jahres 786 fUr dieses
Rundschreiben , auf einen undatierten Zusatz zu den fränkischen
Rtfnigsannalen hin, lasst sich nicht mehr halten, dagegen im Jahre
782 sachlich die grosse Umwandlung des fränkischen Hofes durch
Herüberkunft Alkuin's, Paulus', Petrus', vielleicht auch Theodulfs
mit dem Könige aus Italien stattfand (Wattenbach, Deutschlands
Geschichtsquellen S. 89). Die einfache und anmuthige Form des
Rundschreibens erinnert ohnehin am meisten am Paulus Diaconus.
'2 — universos veleris ac novi lesiafnenii libros^ librariorum imperüia
depravatos, Deo nos in omnibus adjuvante, examussim correximus, LL. I,
45. lieber den Züricher Besitz vgl. oben Anm. 14.
73 LL. I, 53 vgl. Anm. 71,
7^ Vere et valde gralum habeo lakos quandoque ad evangelicas efflo^
ruisse inquititiones , dum quendam audivi virum prudenlem aliquando
dicere clericarum esse evangelium discere^ non laicorum. Quid ad haee ?
Omniß tempus habent cel. Opera I, 181 ep. 124.
7^ Proinde coereeantur et exerceantur in seholis pueri ad leetionem
[al, düeciifmem') sacrae seientiae, ut per hoe bene erudili inveniri possint
ad omnem eccletiae uiUitalem; nee eint reetores iam avidi operalianis, ut
domus dei desolatione spiritalii omalurae vileseaL Conc. Clovesh» ann,
747 VII. Vgl. G. Philipps Versuch einer Darstellung der Geschichte
des angelsächsischen Rechts (Göttingen, 1825) S. 231, dem ich die
Nachricht entnehme.
7^ Presbyteri per villas et vicos scholas habeanl et si quilibei fidelium
suos parvulos ad diseendas liler€u eis comendare vuli, eos suscipere et
docere non renuanl, sed cum summa earitate eos doceant aHtendentes illud
quod scriptum est (Daniel 12, 3) : qui autem doeti eet. Cum ergo eos
doeent^ nihil ab eis prelii pro hac re exigant nee aliquid ab eis aecipiant
excepto quod eis parentes caritatis studio sua voluntate obtulerint.
Tfieodulfi episeopi Aureiianensis capitulare ad paroehiae suae sacerdotes
C. 20 ap Sirmondi concilia Galliac II, 215. —
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— 55 —
77 Vortrefflich hierüber: Rellberg II. 772 ff Vgl I, 360, 452,
406 ff. Die Wichtigkeit der Predigt für die Volkserziehung wird
nach Vorgang der angelsächsischen Missionäre von Karl seit Gapit.
789 (Gap. 65, 81 LL. I, 64, 66) immer von Neuem eingeschärft.
Doch liegt diese wie eine andere , von der allgemeinen Pflicht der
Gesetzeskunde gebildete Seite der Volkserziehung jenseit meiner
dermaligen Absichten.
7s Die 21 der Kanonessammlung beigefügten Kapitel (Gapit. 798
G. 60-81 LL. I, 63-66) dürfen überhaupt als das Ziel der sitt-
lichen Volksbesserung von Seite des Königs angesehen werden,
sie schliessen sich in allgemeinen Vorschriften an Bibelsprüche,
den Dekalog u. A. an, verbieten aber auch gleichmässig Aber-
glauben, Volkstäuschung durch Wundermachen, Sonntagsentheili-
gung; die Einführung des römischen Gesanges steht dem Gesetz-
geber auf derselben Linie, Im Texte ist auf das Bibelcitat in Kap. 60
Bezug genommen, welches auch in der Rededisposition wiederkehrt,
die den königlichen Aufsichtsbeamten (missi) für die von ihnen abzu-
haltenden Versammlungen mitgegeben zu sein scheint. (Als Admonitio
generalis in LL. I, 102, I. 19.)
79 Müllenhoff und Scherer, Denkmäler deutscher Poesie und
Prosa aus dem VIII. bis XII. Jahrhundert (Berlin 1864), S. 444 und
446 fl. ; die hier niedergelegte chronologische Neuordnung der
Reichsakten von 801 und 802 nehme ich als eine im Wesentlichen
gewonnene an ; die Ergebnisse dortiger Untersuchung vgl. bei
W. Scherer, über den Ursprung der deutschen Literatur (Berlin
1864) S. 12, wo die unbeabsichtigten Wirkungen für die deutsche
Literatur hervorgehoben sind. Aehnliche Anregung für die fran-
zösische lässt sich wol auch erweisen, vgl. Rettberg II, 773 mit
den Noten. Die drohende Bestimmung findet sich zuerst in dem
irrig dem October 802 beigeschriebenen Endbeschlusse der Reichs-
versammlung, der in der Weise späterer Reichsabschiede zu Stande
gekommen ist. LL. I, 106, G. 14 und 15.
so Erwägt man, wie die Einprägung des Glaubens und des
Vaterunser immer ernstlicher vorgeschrieben wird, März 802 ohne
ausdrückliche Androhung, mit selbstverständlicher (vgl. d. Brief Karl's
LL. I, 128) Festhaltung der Pathenschaftverbots LL. I, 100, G. 30
fil omni$ popultu chrislianug ßdem caiholicam et dominicam arationem,
fMmarUer teneal; endlich December 805 L 1. p. 135 G. 24) zuletzt
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— 56 —
mit einer Einschärfung an die Beamten, auf stnete Ausführung zu
halten [ut ea quae a muUis tarn annis per eapUularios nostros in toio
regno nottro mandauimus agercj diaeere diligenier inquirant) und
einer allgemeinen Bedrohi^ng der Fahrlässigen wegen Missäcbtung
(— neglegens — lalem disdplinam pereipiat, qualem lalU sU eonlemplor
percipere dignus)^ so kann man nicht zweifein , dass die Specialbe-
drohungen (vgl Anm. 8!) später angesetzt werden müssen; viel-
leicht auf den Nymweger Reichstag Fasten 806, auf welchem nach
der im Februar vorgenommenen Reicfastheilung eine allgemeine
eidliche Verpflichtung auf dieselbe mit Erneuerung des Fidelitäts-
eides (LL. t, 143) beschlossen wurde. Karl mochte eben damals,
nachdem er durch die Theilungsakte des von Gott beschützten
Reiches (a deo eonservatiel servandi imperii) die äussere Zukunft des-
selben gesichert, durch die schon im December des vorigen Jahres
in Aussicht genommene Einschüchterung [ut ceteri metum habeani
ampliu» p. 135 I. 17) auch die geistige Zukunft desselben am besten
zu sichern glauben.
8^ Symbolum et oralionem dominieam (vel signaculum ist Glosse zu
symbolum) omnes diseere eonslringanlur. Et 8i quis ea nunc non teneat
aut vaputet atU jejunet de omni potu excepto aqua usque dum hoc pleniler
valeat. Et qui ista eonsentire nolueril^ ad nostram praesenliam dirigatur.
Feminae vero aut flagellis aut jejuniis constringantur. Quod missi nostri
cum episcopis praemdeanl, ut ita perficiatur (über die Art der Ein-
übung vgl. Müllenhoff a. a. 0. S. 451); et comites similiter adjuvent
episcopis^ si gratiam nostram velint habere, ad haec constringere populum
ut ista diseant. Capit. eccies. C. 2, LL I, 130, vgl. Anm. 80.
^ — ut orationem dominieam, id est Pater noster, et Credo in Deum,
Omnibus sibi subjedis insintkent (sacerdotes) et sibi reddi faciant tarn viros
et feminas quamque pueros, Capit. eccies. m. IV, v. 809, LL. I, 160*
^ Symbolum quod est signaculum fidei et orationem Dominieam diseere
semper admoneant sacerdotes populum chrislianumy volumusque, ut disciplinam
condignam habeant ; qui haec diseere negligunt siue in jejunio siue in alia
eastigatione emendentur — : et qui aliter non poluerit uel in sua Hngua
hoc diseaU ConciL Moguntinum a. 813, § 45 ap. Sirmond, concilia
Galliae II, 285.
s^ Nach Empfehlung populärer Predigt {juxta quod intellegere volgus
possit G 14) heisst es in den publicierten Verordnungen nur G 18:
ut unusquisque compater uel proximus ßliolös spirilales catholice instruat,
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qualUer coram Deo ralionem reddet (LL. I, 190); eben in der Allge-
meinheit der Fassung liegt doch die Ablehnung erneuerter Special-
bestimmungen.
85 üt uniuquisqw filium $uum Hteras ad dücendum mittat et ibi cum
omni sollicitudine permaneat, usque dum bene inslruetus perveniat. Ca-
pilula examinationis generalis Gap. 12, LL. I, 107; über die Fassung
vgl. die Verordnungen von Cobham und Orleans (Anm. 75 und 76).
Die Mainzer Synode von 813, indem sie auf die Instructionsbestim-
mungen über Vaterunser und Glauben zurückkommt (vgl. Anm. 83),
will den Schulbesuch der Knaben doch mit besonderer Rücksicht
auf die betreffende Belehrung der Eltern : Propterea dignum est^ ut
filios iuos donent ad tcholam siue ad mon€uteria »iue foras presbyteris^ ut
fidem catholieam recte discant et orationem dominicam ut dornt alias
edocere valeant*
S6 Monaehi Sangallensis gesta Karolil^ 3 (Mon. Germ, S. S. II, 132).
8' Gesetz über die Organisation des gesammten ünterrichts-
wesens im Kanton Zürich vom 28. Herbstmonat 1832 (OfQcielle
Sammlung der — Gesetze — des eidgen. St. Zürich II, 313)
§ 1. Das Anm. 4 angeführte Regierungsprotokoll besagt in der
dem Grossen Rathe vorgetragenen Empfehlung des Gesetzes (Wei-
sung), es sei »dasselbe eine der wichtigsten und dringendsten
der durch die Staatsverfassung gerufenen Arbeiten«. Vgl. § 20
dieser Staatsverfassung des Kantons (dd. 10. März 1831): »Sorge
»für Vervollkommnung des Jugendunterrichtes ist Pflicht des Volkes
»und seiner Stellvertreter. Der Staat wird die niedern und hohern
»Bildungsanstalten nach Kräften pflegen und unterstützen«.
^ Als Stifter ehrt ihn auch das Siegel unserer Universität (vgl.
die Titel Vignette), welches im obern Felde die Grossmünsterkirche,
im untern des Kaisers am südlichen Thurme dieser Kirche ein-
gesetztes Steinbild zeigt.
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Inhalt.
Seite.
Text <-«4
Anmerkungen 4 -M 22-29
Cxcurs über eine Karllegende 29-39
Anmerkungen 23—26 39-40
Excurs über die Züricher Handscbrift des Otto von Freising . .40-45
Anmerkungen 27-88 45-67
Druckfehler.
Seite 5 Zeile 46 statt 4295 lies: »4259.«
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